Mehr Geist und Herzensenergie

Auch wenn die Volkskirche derzeit eine "Gletscherschmelze" erlebt, sind Verzagen und Resignation "keine christlichen Optionen": Das hat Bischof Hermann Glettler bei einem Gottesdienst am Hauptaltar des vatikanischen Petersdoms am Mittwochnachmittag betont.

KATHPRESS - "Wir brauchen neue, belastbare Formen und Inhalte. Vor allem auch mehr Geist und Herzensenergie", appellierte der Innsbrucker Diözesanbischof an die mehr als 400 Tiroler Pilgerinnen und Pilgern – unter ihnen auch der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) –, die sich noch bis Freitag im Rahmen der Diözesanwallfahrt in der "ewigen Stadt" aufhalten.
Angesichts vieler "Ermüdungen, Frustrationen und der Erfahrung, dass alles weniger wird", bleibe doch die "unmissverständliche Einladung zur Evangelisation, dort wo wir leben", sagte Glettler. Die Wallfahrt gebe "eine Ahnung weltkirchlicher Verbundenheit mit dem Wissen um viele aktuelle Herausforderungen". Es gelte, sich in zahlreichen Spannungsfeldern zu bewähren und trotz allem zuversichtlich weiterzugehen. "Vieles ist uns geschenkt, aber vieles überfordert uns auch", so der Bischof. Die großzügigen Dimensionen vom Petersdom seien dabei ein Symbol für die "katholische Weite des Geistes und des Herzens, die Gott schenkt". 

Das aktuelle Gesicht der Kirche sei auch gekennzeichnet von starken Polarisierungen und Verwerfungen - "konservativ und bewahrend auf der einen Seite, ungeduldig auf Veränderungen drängend auf der anderen", so Glettler. Genauso stark seien Polarisierungen und aggressive Auseinandersetzungen in der Gesellschaft, erinnerte der Bischof: "Längst wäre es angesichts der Krisencluster unserer Zeit, der neuen Belastungen und sozialen Bruchlinien, notwendig, Kräfte zu bündeln sowie unterschiedlichste Lösungsansätze wertzuschätzen."

Mit Nachdruck warnte Glettler vor der ständigen Versuchung, in "Macher-Haltung" zu verfallen - "wenn wir meinen, allein das Richtige zu denken und zu tun". Streit und Eifersucht würden jedoch schwinden, "wenn wir anerkennen, dass Gott mehr zulässt und wachsen lässt als wir uns vorstellen können". Wo es mehr Wertschätzung und weniger Kritik und Ablehnung gebe, lasse sich so manche unnötige Auseinandersetzung ersparen, zeigte sich der Bischof überzeugt. "Es würde uns eine neue Kultur des gesellschaftlichen und politischen Diskurses eröffnen." 

In der heutigen "nervösen Zeit" reiche es nicht aus, "wenn wir uns auf Traditionen und Brauchtum verlassen", sagte Glettler. Nötig seien vielmehr "neue, kleine und größere Schritte des Glaubens". Kirche und Gesellschaft müssten "in Bewegung bleiben", Strukturen reformiert und Inhalte "erfrischend" bleiben. Christen müssten für den Heiligen Geist offen sein, um "Multiplikatoren des neuen Lebens" zu sein, im Streit nicht aufgerieben zu werden und der heutigen Welt einen "Dienst der Zuversicht" bieten zu können.

Im Rahmen der Romwallfahrt der Diözese Innsbruck hatten die Tiroler Pilgerinnen und Pilger am Mittwochvormittag auch an der Generalaudienz mit Papst Franziskus teilgenommen. Einige von ihnen grüßten Franziskus auch persönlich; der Pontifex war dabei über die große Zahl der Pilger wie auch über die musikalische Darbietung einer Trachtenkappelle sichtlich erfreut. Im Unterschied zu Landeshauptmann Platter, der bereits 2018 bei einer Diözesanwallfahrt in Rom dabei war, stellte die diesjährige Ausgabe für Glettler eine Premiere als Innsbrucker Bischof dar. Die Pilgerfahrt dauert noch bis Freitag.

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Bischof Glettler bei seiner Predigt im Petersdom. Foto: Sigl