Kirche in Österreich trauert um Bischof Johann Weber

Bischof Hermann in seinem sehr persönlichen Nachruf: Ein faszinierender Zeuge der Frohen Botschaft

Die Diözese Graz-Seckau und mit ihr die österreichische Kirche trauert um Bischof Johann Weber. Der langjährige Grazer Diözesanbischof und frühere Vorsitzende der Österreichischen Bischofskonferenz ist in der Nacht auf den 23. Mai im 94. Lebensjahr in Graz verstorben, teilte die Diözese Graz am Samstagmorgen mit. Der von 1969 bis 2001 amtierende Bischof von Graz war wichtiger Gestalter und Impulsgeber für die Kirche in Österreich und stellte in vielen Bereichen der Seelsorge die Weichen neu. Zuletzt lebte er in einem Alten- und Pflegeheim der steirischen Landeshauptstadt und feierte noch vergangenen Herbst sein 50-jähriges Bischofsjubiläum. Seit Mittwoch befand er sich in intensivmedizinischer Betreuung.

 

Bischof Glettler: Ein faszinierender Zeuge der Frohen Botschaft 

Für Bischof Hermann Glettler war Bischof Johann Weber ein besonderer Wegbegleiter. Bischof Weber weihte Glettler zum Priester und war einer der Vorgänger des nunmehrigen Bischofs von Innsbruck als Pfarrer in Graz St. Andrä.

Bischof Hermann Glettler: „Johann Weber war für mich die prägende Gestalt eines Bischofs. Mit einem beeindruckenden Vertrauen hat er seine Berufung gelebt. Schon als Kind hat mich das Bild des gütigen und fröhlichen Bischofs fasziniert. 1991 wurde ich von ihm zum Priester geweiht.
Als ich im Herbst 1999 die Pfarre St. Andrä übernahm, wo er von 1962 bis 1969 als Pfarrer gewirkt hat, haben mich die nachhaltigen Spuren seiner pastoralen Leidenschaft überrascht. Auch nach drei Jahrzehnten waren sie noch deutlich zu erkennen – regelmäßige Hausbesuche als nachgehende Seelsorge, selbstverständliche Übertragung von Verantwortung an Laien, Erneuerung der Liturgie und Mut zu Experimenten sind nur ein paar Stichworte.
Ebenso bekam seine ökumenische Aufgeschlossenheit schon in den 60er Jahren im Bezirk Gries ihre konkrete Gestalt – freundschaftliche Begegnungen, ökumenische Gebetstreffen und der „Kanzeltausch“ mit den benachbarten christlichen Gemeinden wurden zu Wegzeichen einer neuen Verständigung. Die Gründung des Grazer Pfarrerkreises geht ebenso auf sein Konto. Dieses sein Anliegen, unter den Priestern eine verlässliche, ungekünstelten Brüderlichkeit zu stärken, hat ihn als Bischof bewogen, die mittlerweile schon legendären „Steirischen Pfarrerwochen“ ins Leben zu rufen. 

Bischof Johann Weber richtete seine erste soziale Aufmerksamkeit immer auf das alltägliche Leben der einfachen Leute. In dieser Haltung einer berührenden menschlichen Nähe, die um die realen Sorgen Bescheid weiß, habe ich auch seine Verkündigung erlebt. Er hat es verstanden, als Hörender die Frohe Botschaft von Jesus ins Heute zu übersetzen, sensibel, weitsichtig und kreativ in der Sprache. Richtungsweisend im Sinne einer sozial engagierten und für die Gegenwartsfragen offenen Kirche rief er beim steirischen Katholikentag 1981 das „Jahrzehnt des Evangeliums“ aus. Es war nur eine seiner zahlreichen missionarischen Initiativen, die Kirche und Gesellschaft belebt haben.“

Glettler abschließend: „Bischof Johann Weber hat es über seine innerkirchliche Verantwortung hinaus verstanden, unaufgeregt und äußerst sensibel im öffentlichen Leben des Landes präsent zu sein. Seine Wortmeldungen waren meist geprägt von tiefer Menschenkenntnis, wissend um die widersprüchlichen Positionen immer einem größeren Miteinander verpflichtet und nie verletzend.

Ich danke Gott für diesen wunderbaren Menschen, Priester und Bischof, dem ich auch persönlich viel an Glaubenszeugnis und Ermutigung  verdanke.“

 

Biografische Notizen 

Am 26. April 1927 in Graz als Sohn eines Gendarmerie-Beamten geboren, wuchs Johann Weber gemeinsam mit fünf Geschwistern auf. Bis zur Schließung des Bischöflichen Seminars nach Einmarsch der Nazis 1938 war er dort Schüler, anschließend im Akademischen Gymnasium. Nach dem Militärdienst im Zweiten Weltkrieg begann Weber mit dem Theologiestudium an der Grazer Universität. Am 2. Juli 1950 wurde er in Graz zum Priester geweiht. Nach Kaplans-Jahren in den Industrieorten Kapfenberg und Köflach wurde er 1956 Diözesanjugendseelsorger der Katholischen Arbeiterjugend. In dieser Funktion wirkte Weber sechs Jahre lang, bis er 1962 zum Stadtpfarrer von Graz-St. Andrä wurde. Er setzte hier viele Initiativen im Sozialbereich, wie etwa eine Unterkunft für Schwangere in Not. Am 10. Juni 1969 ernannte Papst Paul VI. Weber zum Bischof der Diözese Graz-Seckau. Die Bischofsweihe empfing er am 28. September 1969 im Grazer Dom.

Bischof Weber übernahm die Diözese in einer schwierigen Situation, geprägt durch den plötzlichen Rücktritt von Bischof Josef Schoiswohl und die starke nachkonziliare Polarisierung im Klerus. Als Bischof stellte Weber in vielen Bereichen neue Weichen im Sinne der Konzilsreformen und wurde durch seine herzliche, umgängliche Art zum beliebten "Leutebischof": In seiner Amtszeit wurden die Pfarrgemeinderäte und der Diözesanrat eingerichtet, er vergab erstmals an einen Laientheologen die Stelle eines Pastoralassistenten und er setzte zum ersten Mal Ordensfrauen zur "geschäftsführenden" Leitung einer priesterlosen Pfarre ein. Weber rief die Telefonseelsorge ins Leben, später wurden in Graz das Kulturzentrum bei den Minoriten und das Welthaus errichtet.

Bezeichnend für den damals neuen Bischof waren seine Worte am 5. Oktober 1969 an die Leser des "Sonntagsblattes", indem er sagte: "... wie ein ordentlicher Pfarrer will ich für alle da sein. Für mich gibt es keine Progressiven und Konservativen, keine Fernstehenden und keine Elite oder welche Bezeichnungen man sonst noch verwenden will, sondern nur ein Volk Gottes auf seiner Pilgerfahrt in der Nachfolge Christi." Weber rief bereits damals zur "Erneuerung der Kirche" auf, die er gemäß seinem bischöflichen Wahlspruch "Evangelizare pauperibus" ("Frohe Botschaft den Armen") mit klaren sozialen Anliegen verband: Es gelte "immer deutlicher die Armut inmitten des Wohlstands (zu) erkennen: die Kranken und Verdrossenen, die Verzweifelten und Übersättigten, die Ratlosen und Lebensuntüchtigen, die vor Gott Fliehenden und die Enttäuschten. Für sie legen wir die Hand an den Pflug."

Ganz im Sinne des Konzils war Bischof Weber vom Dialog als Wesenszug des christlichen Glaubens überzeugt und versuchte dieses kirchliche Lebensprinzip konkret umzusetzen. Viele große Ereignisse der folgenden Jahrzehnte - von der Österreich-Synode 1973/74 über den Katholikentag 1981 in Graz, den "Tag der Steiermark" 1993, die "Wallfahrt der Vielfalt" 1996, die Zweite Europäische Ökumenische Versammlung 1997 in Graz bis zum "Dialog für Österreich" 1998 - wurden von Bischof Weber initiiert oder entscheidend mitgeprägt. Zu den Höhepunkten seiner Amtszeit zählte auch der Besuch von Papst Johannes Paul II. im Jahr 1983 in Mariazell.

 

Ab 1995 Vorsitz der Bischofskonferenz 

In der Österreichischen Bischofskonferenz war Bischof Weber zunächst Referent für Jugendfragen, später zuständig für den Bereich "Kirche in der Gesellschaft". Lange Zeit war er auch für die Gefangenenseelsorge, für die Ordensgemeinschaften und für pastorale Angelegenheiten zuständig.

Im Mai 1995 wurde Weber zum Vorsitzenden der Bischofskonferenz gewählt, nachdem Kardinal Hans Hermann Groer dieses Amt zur Verfügung gestellt hatte; Weber übte diese Aufgabe bis Juni 1998 aus. Mit seiner Wahl unmittelbar nach Bekanntwerden der Causa Groer und der damit verbundenen schwersten Krise der katholischen Kirche in Österreich seit Ende des Krieges übernahm Bischof Weber eine schwere Bürde und versuchte die Kirche wieder in ruhigere Gewässer zu steuern. Als Antwort auf das 1995 von über 500.000 Personen unterzeichnete "Kirchenvolks-Begehren" setzte sich Weber für einen breit angelegten "Dialog für Österreich" ein, dessen Höhepunkt eine Delegiertenversammlung im Oktober 1998 in Salzburg war. Dies alles konnte rückblickend die tieferliegenden Konflikte zwar nicht lösen, aber zumindest deutlich entschärfen. Zu einem Gutteil war das der seelsorglichen und kommunikativen Begabung Webers als Gesicht und Stimme des österreichischen Episkopats zu verdanken.

Damals wurde Weber auch "Medien-Bischof" und war für die Theologischen Fakultäten und Hochschulen sowie für die österreichische Theologische Kommission zuständig. In seiner Zeit als Medien-Bischof wurde die Kathpress auf eine neue rechtliche Basis gestellt.

Als langjähriger Referent für die Priesterseminare und Präsident des Zentrums für geistliche Berufe ("Canisiuswerk") war Bischof Weber die Sorge um den Priesternachwuchs ein großes Anliegen. Er wies wiederholt darauf hin, dass Priesterberufungen nur dort entstehen können, wo ein lebendiges Glaubensleben den nötigen "Nährboden" für solche Berufungen schafft.

Im Frühjahr 2001 legte Bischof Weber die Leitung seiner Diözese aus gesundheitlichen Gründen nieder, engagierte sich als Seelsorger aber weiterhin für die Kirche. So arbeitete Weber bis zuletzt im Grazer Pfarrverband St. Leonhard-Kroisbach-Ragnitz mit und hielt Vorträge in ganz Österreich. Dass Altbischof Weber zuletzt sein 50-jähriges Bischofsjubiläum feiern konnte, war laut der Kirchenhistorikerin Michaela Sohn-Kronthaler zuvor erst einmal in der österreichischen Kirchengeschichte vorgekommen - beim früheren Gurker Bischof Adam Hefter, der 1970 fast 100-jährig starb.

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Bischof Hermann: "Ich danke Gott für diesen wunderbaren Menschen, Priester und Bischof, dem ich auch persönlich viel an Glaubenszeugnis und Ermutigung verdanke.“ Im Bild: Bischof Hermann bei seinem letzten Treffen mit Bischof Johann in Graz im September 2019. Foto: privat