Glettler: Wie Petrus Canisius Kirche wieder lebendiger machen

Innsbrucker Bischof in APA-Interview: "Kulturwandel im Sinne des Evangeliums anstiften" - Diözese Innsbruck setzt Initiativen im Petrus-Canisius-Jahr - Glettler äußert sich auch zur Segnungsdebatte, zu Kirchenreformen und zum Verhältnis zur Politik.

So wie der vor 500 Jahren geborene Innsbrucker Diözesanpatron Petrus Canisius (1521-1597), der darum gerungen habe, "die Lebendigkeit und Kraft der katholischen Tradition neu zu erschließen", gilt es auch heute wieder, "einen Kulturwandel im Sinne des Evangeliums anzustiften". Das hat der Innsbrucker Bischof Hermann Glettler in einem am Dienstag veröffentlichten ausführlichen Interview mit der Austria Presse Agentur (APA) hervorgehoben. Im heurigen Canisius-Jahr setzt die Diözese Innsbruck zahlreiche Initiativen, "500 Herzfeuer des Glaubens und der Nächstenliebe" sollen in Tirol entzündet werden. Am Sonntag findet ein vom ORF live übertragener Petrus-Canisius-Festgottesdienst im Innsbrucker Jakobsdom statt.

 

Der Rückbezug auf das im 16. Jahrhundert wirkende Vorbild an Glaubenskommunikation ist für Glettler "top-aktuell", wie er sagte. Menschen würden sich von jenen anstecken lassen, die ihr Christentum überzeugend und begeistert leben. "Jesus hat auch keine große PR-Arbeit gemacht, er hat Menschen gesammelt, Vergebung zugesprochen und eine lebendige Gottesbeziehung vorgelebt". Zum Petrus-Canisius-Jahr wird die Diözese Innsbruck ein eigenes Medien-Paket zu allen geplanten Aktivitäten publizieren, kündigte der Bischof am Dienstag gegenüber Kathpress an.

 

"Näher bei den Menschen, mehr im Zentrum der Gesellschaft" - mit diesen Worten umschrieb Glettler seine Vision einer "Kirche von morgen". Das Evangelium "noch kreativer zu verkünden", sei "die Uraufgabe, der wir uns in Zukunft widmen müssen". Daneben sei auch Platz für anstehende Strukturdiskussionen etwa in Bezug auf die Gestaltung des Priesteramts, meinte der Bischof. Themen des APA-Interviews waren auch Segnungen gleichgeschlechtlicher Verbindungen und das Verhältnis von Kirche und Politik. Das ebenfalls angesprochene Thema Sterbehilfe will die APA noch in einem eigenen Artikel nachreichen, wurde Glettler mitgeteilt.

 

Segen durch Herkunftsfamilien?
Nach dem von der Glaubenskongregation im Vatikan ausgesprochenen Segnungsverbot schlägt Bischof Glettler vor, dass anstelle eines Priesters die Herkunftsfamilien den Segen für gleichgeschlechtliche Paare aussprechen. Dies könne im Rahmen eines Wortgottesdienstes im Kreise der Familie passieren, meinte er. Über das Dekret aus dem Vatikan und der damit verbundenen Kränkung Betroffener zeigte sich Österreichs "Familienbischof" einmal mehr nicht sonderlich glücklich: "Es war schon 'old school' zu meinen, dass so ein sensibles Thema mit einer einfachen Klarstellung zu lösen wäre." Lieber wäre ihm gewesen, "dass man nicht alles festschreibt" und der Seelsorge vor Ort mehr Spielraum lässt, so der Diözesanbischof. 

 

Dass sie die Kirche immer deutlich "für die Ehe als Lebensgemeinschaft von Mann und Frau einsetzen" wird, ist davon laut Glettler unberührt. Die Ehe im katholischen Verständnis sei "nicht nur ein Segen, sondern auch ein Sakrament", das werde in der aktuellen Diskussion oft vergessen.

 

Problemfeld Priesternachwuchs
Zum Problemfeld Priesternachwuchs bedauerte der Bischof, Männer, die dieser Berufung folgen, würden heute "kaum eine positive Unterstützung" bekommen. Sie stünden eher "unter Verdacht, potenzielle Missbrauchstäter zu sein oder einen Strukturwandel in der Kirche verhindern zu wollen". Als eine Möglichkeit, den Priesterberuf wieder attraktiv zu machen, nannte Glettler Formen gemeinschaftlichen Lebens, "mit Sicherheit aber keinen neuen Klerikalismus". 

 

Eine Aufhebung der Zölibatsverpflichtung könne den Priestermangel kurzfristig lindern. Neben dem mit der Priesterweihe verbundenen Leitungsamt müsse es künftig "noch wesentlich stärker kirchliche Leitungsverantwortung von Laien geben", betonte Glettler.

 

Dass Katholikinnen nicht zu Priesterinnen geweiht werden können, werde heute als Ungleichbehandlung und Ungerechtigkeit wahrgenommen, räumte der Bischof ein. Änderungen seien hier nur auf weltkirchlicher Ebene möglich. Er persönlich trage als Bischof "die Haltung der Weltkirche mit", wisse aber, wie er sich bei den zuständigen Stellen zu dieser Frage einbringen werde.

 

"Es gibt keinen unpolitischen Glauben"
"Mit großem Befremden wahrgenommen" hat der Innsbrucker Bischof die Chats zwischen ÖBAG-Chef Thomas Schmid und Bundeskanzler Sebastian Kurz. Dass die frühere ÖVP-FPÖ-Regierung bei Steuerprivilegien Druck auf die Kirche ausüben wollte, ergebe einen "deutlichen Gesprächsbedarf". Er wolle zwar "keine Belehrung äußern", der Kanzler wisse jedoch sicherlich, "was für ihn ansteht", meinte Glettler im APA-Interview. Die Kirche wolle sich in Bezug auf ihre Positionierungen etwa in der Asylpolitik von keiner Partei unter Druck setzen lassen. "Kirche darf nicht schweigen, wenn Unrecht geschieht, manchmal muss sie Regierenden auch lästig sein", erklärte Glettler. 

 

Der Bischof betonte die Autonomie beider Seiten. Politik und Kirche seien hierzulande getrennt, es gebe aber Kooperation: "Grundsätzlich haben wir diesbezüglich in Österreich eine gute Praxis - vor allem in den Themenfeldern von Bildung, Armutsbekämpfung und Kultur." Durch Einrichtungen wie Caritas, Vinzenzgemeinschaften, sozial tätige Orden oder durch karitative Initiativen der Pfarren sei die Kirche besonders nahe am Lebensnerv der Menschen, an ihren Sorgen und Nöten - und sie werde gehört, so Glettlers Eindruck.

 

Zum Thema einer menschenwürdigen Asylpolitik wiederholte der Bischof die kirchlicherseits vielfach geäußerte Forderung, 100 Familien von den griechischen Inseln aufzunehmen. Österreich komme seinen Asylverpflichtungen zwar grundsätzlich nach, "aber die Unbeweglichkeit in der Bewältigung der akuten Notsituation auf den griechischen Inseln ist bisher wirklich enttäuschend". Das Schicksal tausender Menschen, die ihre Heimat verlassen mussten, "darf nicht zum Spielball parteipolitischer Taktik werden - oder Teil einer europäischen Abschreckungspolitik sein",betonte Glettler. Und er kritisierte die bisher tauben Ohren der politisch Verantwortlichen für Unterbringungs- und Betreuungsangebote der Zivilgesellschaft: "Diese Hilfsbereitschaft ins Leere laufen zu lassen, ist unverantwortlich."

 

Grundsätzlich gilt für Bischof Glettler: "Es kann keinen unpolitischen Glauben geben." Die Kirche sei nicht parteipolitisch, sehr wohl aber politisch im Sinne eines gesellschaftlichen Zusammenlebens, in dem niemanden übersehen und ausgeschlossen werden dürfe.

 

Eine Meldung von www.kathpress.at