Evangelienkommentar für 7. August 2022

Eine Serie für die Tiroler Tageszeitung

19. Sonntag im Jahreskreis, Lk 12,35–40 

In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern: Eure Hüften sollen gegürtet sein und eure Lampen brennen! Seid wie Menschen, die auf ihren Herrn warten, der von einer Hochzeit zurückkehrt, damit sie ihm sogleich öffnen, wenn er kommt und anklopft! Selig die Knechte, die der Herr wach findet, wenn er kommt! Amen, ich sage euch: Er wird sich gürten, sie am Tisch Platz nehmen lassen und sie der Reihe nach bedienen. Und kommt er erst in der zweiten oder dritten Nachtwache und findet sie wach – selig sind sie. Bedenkt: Wenn der Herr des Hauses wüsste, in welcher Stunde der Dieb kommt, so würde er verhindern, dass man in sein Haus einbricht. Haltet auch ihr euch bereit! Denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, in der ihr es nicht erwartet.

 

Wach bleiben 

„Warum tust du dir das an - ehrenamtlich in der Telefonseelsorge zu arbeiten, dir in deiner Freizeit das Leid fremder Menschen anzuhören?“ - das werden meine Mitarbeiter_innen immer wieder gefragt. Wenn die Welt im Großen schon zu wackeln beginnt, ist es da nicht besser die Augen zuzumachen und die Ohren zu verschließen?

 

Nein, das ist es nicht. Gelingendes Leben setzt Wachsamkeit voraus, Offenheit für das, was um uns herum vorgeht. Eine Weise wachsam und offen zu sein, ist, zu hören, was Menschen, die in schwierigen Lebenssituationen sind, im Innersten bewegt. Das ist das, was wir in der Telefonseelsorge tun. Zuhören, mitgehen, begleiten. Mit einem hörenden Herz dabei sein. Nie weiß man, was auf einen zukommt, wenn man am Telefon sitzt. Wir warten, wachen und lassen uns auf den Menschen ein, der uns „geschickt“ wird. Manchmal ist das belastend, gleichzeitig ist es auch bereichernd. Es führt dazu, bewusster durchs eigene Leben zu gehen. Es beinhaltet also beides – den Blick auf sich selber und die Hinwendung zum anderen. Genauso wie es das Grundgebot der Bibel besagt: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.

 

Was auch immer es für jede/n einzelne/n konkret ist, sei es das Engagement für Klimaschutz, Frieden, globale Gerechtigkeit oder in der Erziehung der Kinder, der Pflege, der Nachbarschaftshilfe usw. – ich gehe davon aus, dass jede/r seinen/ihren Schwerpunkt finden kann bzw. darauf „gestoßen“ wird, wo er/sie anpacken und das Gute tun kann.

 

„Lebe das, was du vom Evangelium verstanden hast - und sei es auch noch so wenig“, hat der verstorbene Frère Roger von Taizé gesagt. Wer danach lebt, lebt wach und ist bereit, für das, was kommt.

 

Mag.a Astrid Höpperger, Leiterin der Telefonseelsorge Innsbruck 142