Evangelienkommentar für 14. August 2022

Eine Serie für die Tiroler Tageszeitung

20. Sonntag im Jahreskreis, Lk 12,49–53 

 

In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern: Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen. Wie froh wäre ich, es würde schon brennen! Ich muss mit einer Taufe getauft werden und wie bin ich bedrängt, bis sie vollzogen ist. Meint ihr, ich sei gekommen, um Frieden auf der Erde zu bringen? Nein, sage ich euch, sondern Spaltung. Denn von nun an werden fünf Menschen im gleichen Haus in Zwietracht leben: Drei werden gegen zwei stehen und zwei gegen drei; der Vater wird gegen den Sohn stehen und der Sohn gegen den Vater, die Mutter gegen die Tochter und die Tochter gegen die Mutter, die Schwiegermutter gegen ihre Schwiegertochter, und die Schwiegertochter gegen die Schwiegermutter.

 

Sich entscheiden 

Einer meiner Lieblingsheiligen ist Franz von Assisi. Es ist schon bemerkenswert, wenn ein Mensch 800 Jahre nach seinem Tod noch erinnert wird. Einer, der ernst gemacht hat mit dem Christsein, einer, der sich dafür entschieden hat, sein Wohlstandsleben aufzugeben und sich um die Ausgestoßenen zu kümmern und sich für Frieden und die Schöpfung einzusetzen. Doch auch Franziskus ist aufgrund seiner Entscheidung in Konflikte geraten. Seine Eltern waren blamiert, als er sich nackt am Stadtplatz ausgezogen hat und ihnen seine Kleider vor die Füße geworfen hat. Entscheidungen bringen Konflikte mit sich, wenn sie den Bedürfnissen und Zielen anderer zuwiderlaufen. Ein Leben ohne Auseinandersetzungen ist eine Illusion. Wir haben Konflikte, ob wir sie nun wollen oder nicht. In der Telefonseelsorge hören wir von familiären Konflikten ähnlich denen in der Bibelstelle. Da steht die Schwester gegen den Bruder (weil er für und sie gegen die Coronamaßnahmen ist), die Ehefrau gegen den Ehemann (weil er sie unterdrückt), die Tochter gegen die Mutter (weil sie etwas gegen den neuen Freund hat).

In der Bibelstelle geht es um die Entscheidung für oder gegen Jesus. Daher kommt der Streit, der dort beschrieben ist. Ein Konflikt, der offenbar nicht unter den Tisch gekehrt wird, sondern ausgetragen wird. Gut so! Konflikte, die auf eine gute Art, nämlich wertschätzend, ausgetragen werden, haben eine Chance auf Lösung. Konflikte, die totgeschwiegen werden, haben das Potential zu eskalieren.

Entscheidung für Jesus? Was kann das heute für uns bedeuten? Zum Beispiel das, was Franziskus vor 800 Jahren getan hat: Sich einsetzen für die am Rande der Gesellschaft, sich Einsetzen für Versöhnung, sich Einsetzen für die Bewahrung der Schöpfung.

 

Mag.a Astrid Höpperger, Leiterin der Telefonseelsorge Innsbruck 142