Eskalierende Gewalt macht ratlos - beten für Frieden

Statement der ökumenischen Partner:innen aus dem Lokalkomitee für christlich- jüdische Zusammenarbeit Tirol zum Pogromgedenktag am 9. November 2023

Noch immer löst der als Pogrom erlebte Anschlag der Hamas vom 7. Oktober in seiner alle Vorstellungen und Begriffe sprengenden Menschenverachtung und Brutalität in uns Entsetzen aus. Die nun eskalierende Gewalt macht uns ratlos. Christ:innen beten für den Frieden, um eine Hoffnung wider aller Hoffnung zu bewahren angesichts dieser höchst bedrohlichen und scheinbar aussichtslosen Situation. Im Gebet bekennen wir offen unsere Ohnmacht in solchen weltpolitischen Dimensionen.

 

Wir können nur für den Frieden im Heiligen Land beten, wenn wir hier in Österreich Antisemitismus in allen Varianten entschieden und klar entgegentreten. Angesichts bedrohter Jüdinnen und Juden und Vorfällen wie der geschändeten jüdischen Begräbnisstätte in Wien unterstützen wir als christlich-ökumenische Partner:innen im Tiroler Lokalkomitee für christlich-jüdische Zusammenarbeit die politisch Verantwortlichen in ihren Anstrengungen wie sie sich in der „Nationalen Strategie gegen Antisemitismus“ der Bundesregierung und der Etablierung des „Nationalen Forum gegen Antisemitismus“ manifestiert.

 

Aber auch wir selbst, jede einzelne Person, sind in unserem Lande nicht ohnmächtig. Wir alle sind, wie Bischof Hermann Glettler betont, zu Zivilcourage aufgerufen. Der Superintendent für Salzburg und Tirol, Olivier Dantine, ruft uns das Wort Jesu in Erinnerung „Selig, die Frieden stiften“. Damit ist kein Patentrezept gemeint, sondern ein Anspruch an sich selbst, sich vom Schmerz des anderen betreffen zu lassen und Selbsthingabe zu leben, die die Opfer nicht jenen ausliefert, die Gewalt ausüben.

 

Jede und jeder einzelne von uns kann billigen Sprüchen auf den verschiedensten Ebenen widersprechen. Wir können uns mit den jüdischen Gemeinden solidarisieren und gute Nachbarschaft leben und pflegen: Solange sich jüdische Menschen in unserem Land unsicher fühlen, können wir alle nicht in Frieden leben. Wir dürfen antisemitische Vorfälle auf allen Ebenen nicht bagatellisieren.

 

Wir beziehen unmissverständlich klar Stellung gegen jede Form von antijüdischem Gedankengut und Taten, wir fordern alle Akteur:innen und Mitglieder der Zivilgesellschaft auf, dies ebenso deutlich zu tun. Unser Engagement gilt einer friedlichen Zivilgesellschaft, in der wir füreinander einstehen und in der Hass keinen Platz hat!

 

Unterzeichnende: 

Prof. em. Roman Siebenrock,

Sprecher des Lokalkomitees christlich jüdische Zusammenarbeit Tirol

 

Mag. Olivier Dantine,

Superintendent der evangelischen Kirche in Salzburg und Tirol

 

Dr. Martina Loth,

Vorsitzende der Diözesankommission für den interreligiösen und interkulturellen Dialog / Haus der Begegnung Innsbruck

Foto: Gregor Ritter/Pixabay

Kirchen: Kampf gegen Antisemitismus jeden Tag aufs Neue führen

Erklärung des Ökumenischen Rates der Kirchen: "Jüdinnen und Juden müssen in Österreich eine sichere Heimat haben. Dieser Satz sollte so selbstverständlich sein, dass es beschämend und bestürzend ist, ihn überhaupt aussprechen zu müssen" - Aufruf zur Teilnahme an Gedenkveranstaltungen zu den Novemberpogromen

 Der Ökumenische Rat der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ) hat zur Teilnahme an den Gedenkveranstaltungen anlässlich der Novemberpogrome 1938 aufgerufen, die sich heuer zum 85. Mal jähren. "85 Jahre nach den Novemberpogromen stellen wir einen erschreckenden Anstieg antisemitischer Vorfälle in Österreich fest", heißt es in einer am Mittwoch veröffentlichten Erklärung des ÖRKÖ-Vorstands. Für Antisemitismus, in welcher Form und von welcher Seite her auch immer, dürfe es in Österreich keinen Platz geben. Der Kampf gegen Antisemitismus müsse jeden Tag aufs Neue geführt werden.

"Jüdinnen und Juden müssen in Österreich eine sichere Heimat haben. Dieser Satz sollte so selbstverständlich sein, dass es beschämend und bestürzend ist, ihn überhaupt aussprechen zu müssen", heißt es wörtlich in der Erklärung. Behörden, Politik und Zivilgesellschaft und damit auch die Kirchen seien gleichermaßen gefordert und müssten auf ihre je eigene Art entschieden gegen Antisemitismus vorgehen.

Die Kirchen würden dankbar bekennen, dass es nicht möglich ist, Christ zu sein, ohne die jüdischen Wurzeln des Glaubens hochzuschätzen: "Wir erkennen heute beschämt, dass mit der Zerstörung der Synagogen der Name des Ewigen geschändet wurde, ohne dass viele unserer Vorfahren im Glauben dies gespürt hätten. Wir sind dankbar für die vielfältigen Formen jüdischen Lebens in unserem Land. Zugleich bekennen wir, dass es nur ein Bruchteil des jüdischen Lebens ist, das es vor der Shoah in Österreich gab."

Der ÖRKÖ-Vorstand zeigt sich besorgt um den Frieden und Zusammenhalt in Österreich: "Wir rufen alle Menschen in unserem Land zu gegenseitigem Respekt auf und alles zu unterlassen, was Spaltung, Hass und Gewalt fördert. Wir mahnen zu besonderen Wachsamkeit gegenüber jeglicher Form von gesellschaftlichen Entwicklungen, die auf Abwertung und Ausgrenzung von Minderheiten setzt."

Die aktuelle Entwicklung zeige, dass der Kampf gegen Antisemitismus jeden Tag aufs Neue geführt werden muss. Der polizeiliche Schutz von Synagogen, Bethäuser, jüdischen Friedhöfen, Schulen und weiteren jüdischen Einrichtungen sei unbedingt erforderlich. Es brauche aber neben einem entschiedenen gesetzlichen Vorgehen auch verstärkte Aufklärungsarbeit. Mit großer Sorge sieht der ÖRKÖ-Vorstand in diesem Zusammenhang vor allem die Sozialen Medien. Eine besondere Rolle im Einsatz gegen Antisemitismus komme zudem auch den Schulen in Österreich zu; ebenso aber etwa auch der Bildungsarbeit und Werte-Erziehung in den Kirchen.

Abschließend heißt es in der Erklärung: "Rund um den 9. November finden an vielen Orten in Österreich Gedenkveranstaltungen statt. Wir rufen die Österreicherinnen und Österreicher in unserem Land dazu auf, an diesen Veranstaltungen teilzunehmen und so ein Zeichen gegen Antisemitismus zu setzen. Mögen die Kräfte in unserer Gesellschaft die Oberhand behalten, die sich für ein friedliches, respektvolles und angstfreies Miteinander von unterschiedlichen Religionen und Kulturen in Österreich einsetzen."

(Erklärung im Wortlaut abrufbar auf der Website des Ökumenischen Rats der Kirchen unter https://www.oekumene.at/oerkoenews/2258/rk-gedenken-an-die-novemberpogrome)

 

Eine Meldung von www.kathpress.at