Entschieden einen neuen Weg gehen

Das Vertrauen in die Kirche ist in den vergangenen Jahrzehnten von einigen Priestern und Ordensangehörigen nachhaltig beschädigt worden. Die nun vorgelegten Zahlen sind beschämend für uns Verantwortliche. Mehrmals wurden offiziell und in persönlichen Begegnungen ehrlich gemeinte Bitten um Entschuldigung ausgesprochen. Sie sind längst fällige menschliche Gesten, belegen aber ebenso die Unbeholfenheit, mit den tiefen Enttäuschungen und seelischen Wunden angemessen umzugehen. Den Worten sind jedoch auch Taten gefolgt.

Österreichweit und auch in der Diözese Innsbruck wurde seit dem Bekanntwerden der Missbrauchsfälle eine schonungslose Aufklärungsarbeit zusammen mit den zivilen Rechtsinstanzen geleistet. Eine vom „System Kirche“ unabhängige Opferschutz-Kommission wurde eingesetzt. Deren Entscheidungen sind für uns kirchliche Verantwortungsträger verpflichtend. Ebenso wurde sofort mit der Durchführung konsequenter Präventivmaßnahmen in allen kirchlichen Bereichen und für alle kirchlichen Beschäftigten, für Kleriker und Laien begonnen. 

Unmissverständlich gilt, dass die Kirche ein sicherer Ort für Kinder und Jugendliche sein muss! Bei Gewalt und sexualisierter Gewalt gegenüber Minderjährigen und allen besonders schutzbedürftigen Menschen gilt ein „Null-Toleranz-Prinzip“, das Papst Franziskus auch für die Kirche weltweit einfordert. Wir bekennen uns als Kirche in Tirol selbstverständlich zu diesem Weg und zu dieser Haltung. Es gilt, die viel zu lange gestützte „Mauer des Schweigens“ aufzubrechen, das Thema Gewalt und sexualisierte Gewalt zu enttabuisieren und eine Kultur des aufmerksamen Hinschauens zu schaffen.

Ich möchte an dieser Stelle allen danken, die lange vor meiner Amtszeit in der Diözese Innsbruck einen unmissverständlichen Weg der Transparenz und der Prävention eingeschlagen haben. Unter der Leitung von Bischof Manfred Scheuer und dem damaligen Generalvikar Jakob Bürgler wurden bereits im Jahr 2012 eine externe Ombudsstelle sowie eine Opferschutzkommission und eine Planstelle für Präventionsarbeit eingerichtet. Die Arbeit, die bisher in diesem Bereich geleistet wurde, kann sich wirklich sehen lassen und entspricht den höchsten professionellen Standards.

Ebenso wichtig ist es, im Zuge der Aufklärung und schonungslosen Offenlegung von nicht zu entschuldigenden Vergehen auf Pauschalverurteilung und Generalverdacht zu verzichten. Die ursächliche Verbindung von Zölibat und Missbrauch ist unzulässig und im Namen der Vielen, die mit großer Hingabe für die Menschen eine zölibatäre Lebensform gewählt haben, in höchstem Maß unfair. Trotzdem war es möglich, dass Menschen mit pädosexuellen Neigungen sich unter dem Deckmantel des Zölibats den Zugang zu Minderjährigen erschlichen, diese gefährdet und durch Strafhandlungen lebenslanges, unsägliches Leid verursacht haben.

Der Schutz unserer Kinder und Jugendlichen muss in Zukunft eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sein. Dazu mahnen die jährlich von Tiroler Opferschutzeinrichtungen ausgewiesenen Zahlen, gerade auch die erschreckend hohen Zahlen familiäre Gewalt betreffend. Netzwerkbildungen von relevanten Systempartnern und Akteuren unterschiedlicher gesellschaftlicher Ebenen und Professionen sind weiterhin zu forcieren. Auch als Teil eines solchen gesamtgesellschaftlichen Netzwerkes wird sich die Kirche zukünftig konstruktiv einbringen.

Nur genaues Hinsehen und der Wille zu Wahrhaftigkeit und Gerechtigkeit können den konkreten Menschen helfen. Wir als Kirche möchten mit großer Entschiedenheit diesen Weg gehen.

Hermann Glettler, Bischof der Diözese Innsbruck 

Einrichtungen

Ombudsstelle der Diözese Innsbruck

Die Ombudsstelle der Diözese Innsbruck ist Anlaufstelle und Ansprechpartnerin für Personen, die Vorwürfe von Gewaltanwendung oder sexuellem Missbrauch durch Mitarbeiter:innen von kirchlichen Einrichtungen erheben. Die Ombudsstelle wird geleitet von Gertraud Walder. Sie wird in ihrer Arbeit von Hannes Green unterstützt.

Zur Ombudsstelle 

 

Stabsstelle für Prävention von Missbrauch und Gewalt | Abt. Kinder- und Jugendschutz

Die Hauptaufgabe der „Stabsstelle für Prävention von Missbrauch und Gewalt“ bzw.  Abteilung „Kinder- und Jugendschutz“ besteht darin, einen ständigen Prozess der Sensibilisierung für die Themen Gewalt und sexuellen Missbrauch in Gang zu halten und entsprechende fördernde Maßnahmen umzusetzen. Ansprechpersonen sind Martina Haun-Holzmann und Andrea Reich-Riedmann.

Stabsstelle für Prävention von Missbrauch und Gewalt 

 

Zahlen und Fakten zum Thema Missbrauch

Zum Thema Missbrauch in der Kirche und den daraus resultierenden finanziellen Entschädigungen kursieren viele Informationen, die mitunter ungenau und zu wenig detailliert sind. Aus diesem Grund finden Sie im Folgenden Informationen Erfasst sind die Daten bis zum 31. Dezember 2022.
  • Auf dem Gebiet der Diözese Innsbruck sind rund 20 Prozent der österreichweit registrierten Missbrauchs-Vorfälle im kirchlichen Bereich geschehen.
  • 587 Frauen und Männer, die von Missbrauch in kirchlichen Einrichtungen auf Diözesangebiet betroffen sind, haben sich an eine Opferschutzeinrichtung gewendet. Insgesamt wurden von diesen Personen 1496 Vorfälle gemeldet. Rund zwei Drittel davon betreffen Vorfälle in den 60-er und 70er-Jahren.
  • In 65 Prozent der gemeldeten Fälle geht es um körperliche und damit einhergehende psychische Gewalt. 25 Prozent der gemeldeten Fälle betreffen sexuelle Gewalt, der Rest betrifft Vorfälle aus einem Mix von körperlicher, psychischer und sexueller Gewalt.
  • 80 Prozent der Übergriffe ereigneten sich in Heimen und Betreuungseinrichtungen, die meist von Ordenseinrichtungen getragen wurden. 10 Prozent betreffen Vorfälle in Internat, Schule und Kindergarten, 4 Prozent ereigneten sich in Pfarren.
  • Insgesamt wurden von kirchlichen Einrichtungen auf dem Gebiet der Diözese Innsbruck rund 6,6 Millionen Euro an finanzieller Hilfe ausgeschüttet. 660.000 Euro wurden für Therapien geleistet. Der überwiegende Teil des Geldes stammt von Ordensgemeinschaften. Die Diözese Innsbruck hat Zahlungen von rund 1,6 Millionen Euro, davon 500.000 Euro Therapieunterstützung geleistet. Für die Opferschutz-Zahlungen wurden keine Gelder aus dem laufenden Kirchenbeitrag verwendet. Die Zahlungen konnten durch Zinserträge aus Rücklagen abgedeckt werden, Liegenschaften mussten keine veräußert werden.

Lehrgang an der Theologischen Fakultät der Universität Innsbruck

Im Herbst 2019 startete an der Universität Innsbruck in Zusammenarbeit mit der Päpstlichen Universität Gregoriana und der Diözese Innsbruck ein Seminar/ Lehrgang zum Thema sexueller Gewalt.

Worum geht es dabei? 

Der Schwerpunkt liegt darauf, die Angst zu nehmen, hinzuschauen und ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Missbrauch vorkommt. Es geht auch darum, den Studierenden und MitarbeiterInnen der Diözese Innsbruck zu vermitteln, welche Haltung ihnen hilft, professionell mit dem Thema umzugehen.

Ein wesentlicher Bestandteil des Seminarinhaltes ist es zu vermitteln, dass es bei der Aufdeckung und Aufarbeitung von Missbrauch immer Zusammenarbeit braucht, das kann man für sich alleine nicht tragen. Es braucht das Gespräch mit anderen, denn oft beginnt man dann, an der eigenen Wahrnehmung zu zweifeln.

In der Lehrveranstaltung wird es aber auch um fachliche Inhalte gehen wie die Vermittlung der speziellen Dynamik bei Missbrauch und das Hinschauen auf hierarchische Strukturen und Abhängigkeitsverhältnisse, die den Missbrauch begünstigen.