Zeitgenössische Kunst in drei Kirchen in Innsbruck und Hall

Ab Aschermittwoch sind im Innsbrucker Dom, in der Spitalskirche Innsbruck und in der Stadtpfarrkirche Hall Werke zeitgenössischer Künstler zu sehen. Während die Auseinandersetzung mit zeitgenössischen Kunstwerken im Dom eine lange Tradition hat, erleben die Spitalskirche und die Pfarrkirche in Hall eine Premiere.

Im Innsbrucker Dom ist ab Aschermittwoch eine Installation des in Graz geborenen Künstlers Manfred Erjautz zu sehen. Ein leuchtend roter Schriftzug zeigt die Buchstaben „ME“, die als „Ich“ (engl. „me“) gelesen werden können. Auf den Boden gespiegelt ergibt sich daraus „WE“, das für das „Wir“ (engl. „we“) steht. Die Lichtinstallation greife das Spannungsfeld zwischen dem Blick auf das Eigene und der Solidarität in der Gemeinschaft auf, so Generalvikar Propst Florian Huber. Die rote Farbe korrespondiere mit dem Rot des Gnadenbildes von Lucas Cranach. Ein violetter Scheinwerfer, der auf den Altarraum und auf das Mariahilfbild gerichtet ist, wirke zudem wie ein Fastentuch.

 

Christus-Uhr in der Spitalskirche Innsbruck 

In der Innsbrucker Spitalskirche ist ebenfalls ein Werk von Erjautz zu sehen. „Your personal Jesus“ heißt die Installation, in der Erjautz eine alte Christusfigur zur Uhr umgestaltet hat. Den Corpus hat der Künstler vor Jahren aus dem Müll gerettet. Er hat den Corpus in drei Teile zerlegt. Rumpf und Beine zeigen die Stunden an, die Arme Minuten und Sekunden. Den Titel des Werkes hat Erjautz von einem Lied der Popgruppe Depeche Mode entlehnt. Bischof Hermann Glettler, der den Künstler persönlich kennt, hat bei der Präsentation der Installation auf die Herausforderung hingewiesen, die das Symbol des Kreuzes ausmacht: „Das Kreuz ist weder ein beliebiges Dekor, noch ein Herrschaftszeichen. Es muss neu geschaut und erschlossen werden.“ Manfred Erjautz provoziere mit seines Jesus-Uhr im barocken Kirchenraum nicht nur ein neues Nachdenken über das Kreuz, so Glettler. „Er konfrontiert uns mit ernsthaften Fragen, die das Wesentliche des Lebens betreffen: Sind wir Getriebene der Zeit und der vielen Ansprüche, oder schaffen wir Unterbrechung?“ Jesus gebe der Lebenszeit eine neue Qualität: „In jedem Moment ist es möglich, Vergebung anzunehmen, neu zu beginnen und dem Leben eine Wende zum Guten zu geben“, so Glettler. 

Bischofsvikar Kirchenrektor Jakob Bürgler zeigt sich erfreut über die Christus-Uhr in der Spitalskirche. „Wir wollen die Kirche als Ort etablieren, in dem Glaube auf neue und überraschende Art erlebbar werden soll“, so Bürgler.

 

Skulpturen in der Stadtpfarrkirche Hall-St. Nikolaus 

In und vor der Stadtpfarrkirche Hall-St. Nikolaus sind Skulpturen des Südtiroler Bildhauers Lois Anvidalfarei zu sehen. Die gezeigten Werke laden unter dem Titel „Mensch – wer bist du?“ zur Beschäftigung mit Fragen nach dem Menschen, nach Gott und nach dem Leid ein. Das künstlerische Schaffen von Anvidalfarei steht auch im Kontext der Bildsprache der christlichen Kultur, menschliche Empfindungen, Regungen und Nöte sind die Themen, die den Südtiroler Bildhauer beschäftigen, erklärt sein Studienkollege und Freund Magnus Pöhacker aus Hall. Das Menschenbild, das der Künstler schaffe, sei in seiner formalen Sprache so klar, dass es auch von ungeübten Betrachtern zu entziffern sei. Während tradierte Vorstellungen des Gekreuzigten oder von Märtyrern oft nicht mehr zu berühren vermögen, seien die Plastiken von Anvidalfarei in der Lage, die Empfindsamkeiten auf unterschiedliche Weise wieder zu aktivieren", so Pöhacker.

 

Zu den Künstlern:

Manfred Erjautz 

Manfred Erjautz, geboren in Graz, studierte an der Akademie der bildenden Künste Wien bei Bruno Gironcoli, ist Mitglied der Wiener Secession und von Forum Stadtpark, lebt und arbeitet in Wien. Erjautz wurde mehrfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Otto-Mauer-Preis, zahlreiche Ausstellungen im In- und Ausland. Ein Brunnen von Manfred Erjautz ist im Hof des Priesterseminars in Graz zu sehen. 2017 zeigte er die Christus-Uhr in der Konzilsgedächtniskirche in Wien.

  

Lois Anvidalfarei 

Lois Anvidalfarei zählt zu den bedeutendsten Bildhauern im deutschen Sprachraum. 1962 in Abtei in Südtirol geboren, studierte er an der Akademie der Bildenden Künste in Wien. Er bewirtschaftet den von den Eltern ererbten Bauernhof In Abtei und arbeitet als freischaffender Bildhauer. Das künstlerische Werk von Anvidalfarei wurde in den letzten drei Jahrzehnten in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen in Italien, Österreich, Schweiz, Deutschland und Belgien gezeigt. Sakrale Werke sind unter anderem in der Pfarrkirche Sterzing, in der Basilika Mondsee oder in der Pfarrkirche St. Pankraz zu sehen. Im Garten des Bezirkskrankenhauses Hall steht seit 2018 eine Plastik von Anvidalfarei und im Gasthof Badl in Hall sind derzeit Werke von ihm und seinen Künstlerkollegen zu sehen.

ME/WE - Licht-Installation von Manfred Erjautz im Innsbrucker Dom. Foto: Hölbling