Lieber Bernhard, liebe Maria

Otto Neururers letzter Brief aus dem KZ Buchenwald 

(Papierbogen A4 quer, beidseitig beschrieben)

 

Konzentrationslager Weimar-Buchenwald 19. Mai 1940 

Lieber Bernhard, 

liebe Maria! 

Hiermit bestätige ich dankend den Empfang von zweimal 15 RM; innigen Dank den Spendern, die ich ja im einzelnen nicht kenne. In meinem letzten Brief (Karte) vor 14 Tagen schrieb ich, daß ich auf den vorhergenden noch keine Antwort erhalten habe - leider habe ich auch inzwischen kein Schreiben
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bekommen. Ich bin gesund. Ihr werdet mir glauben, daß ich mit meinen Gedanken immer wieder bei Euch und meinen Freunden in der Heimat weile! Bei den Beilelers, die dankbar grüße; die Kinder werden wohl inzwischen geheiratet haben, die Söhne eingerückt sein. Oft denke ich an Meisters, die Burgl bitte ich weiter um das Gebet. Grüßt mir den Nazen-Rudi, ich denke mit Wehmut daran, wie wir zusammen gearbeitet haben. Ich möchte so gerne wissen, wie es dem Altwirt gesundheitlich geht. Hoffentlich hat er die Operation gut überstanden und es geht
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ihm wieder besser. Ich weiß, daß seine Frau mir stets so viel Wohlwollen entgegengebracht hat und danke ihr dafür und lasse sie herzlich grüßen. Nicht vergesseb werde ich alles Wohlwollen dem Prader. Gott vergelte es ihm. Natürlich müßt Ihr mir die Walzenfamilie, vor allem Großmutter und Klara grüßen; sie sollen doch fortfahren in ihrem Gebet für mich. Grüßt mir besonders herzlich Anna, Mariens Schwester. Wie geht es ihr auf ihrem neuen Posten. Ich denke sie wird aufatmen und sich nicht mehr zurücksehnen nach dem früheren!
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Ergebenst grüße ich Paul und Lampert; sie sollen doch fortfahren in ihrem Bemühen um mich! Ich weiß wohl, daß ich am meisten Dank Dir, Lieber Bernhard und der Maria schulde; innigen Gruß! Und nun noch eine wichtige Mitteilung: Lagerordnung befolgen! und nicht öfer schreiben, als erlaubt ist. Nun, Ihr habt dies ja auch bisher nicht getan. Auf Wiedersehen: Euer dankbar ergebenster 

Otto Neuruer 

 

 

Pfarrer Neururer schreibt im Wissen der Zensur an seinen Kooperator Bernhard Praxmarer und seine Pfarrhaushälterin Maria Geir nochmals am 19. Mai 1940. 
Noch hofft Pfarrer Neuruer, endlich nach Jahren der Haft, Demütigung und Grausamkeiten bald freigelassen zu werden. Elf Tage später wird er ermordet.
In seinen Gedanken und Sorgen ist er bei seiner Pfarrgemeinde in Götzens - er ist immer ihr Seelsorger geblieben. Geblieben ist er auch der treue Priester - so dankt er seinem Bischof Paulus Rusch und dem Provikar Carl Lampert. Gerade letzterer setzte sich besonders für Neururer ein und jener sollte es sein, der wenige Wochen später des Requiem für Neururer zelebrieren musste, das jenem schlussendlich selbst unter das Fallbei der Nationalsozialisten bringen sollte. 

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