Wie Kindern Krieg erklären?

Das Jugendrotkreuz Tirol unterstützt PädagogInnen, Eltern und Großeltern dabei, wie sie ihren Kindern bewaffnete Auseinandersetzungen und deren Folgen für die Menschheit erklären können.

Nicht nur, aber insbesondere Kinder sind derzeit verunsichert, haben Angst, sind wütend oder wollen helfen, wenn sie von den Menschen hören, die vom Ukraine Konflikt betroffen sind und fliehen müssen. Mit ihren vielen Fragen wenden sie sich an ihre Bezugspersonen. Pädagog:innen und Eltern stehen vor der Herausforderung, den Kindern altersgerecht und wahrhafte Antworten zu geben. Das ist nicht immer leicht, denn wer weiß schon, wie viel an Information und Details einem Kind zugemutet werden können und wann es zu schützen ist? 

 

Bereits zu Beginn des Ukraine-Konfliktes hat das Österreichische Jugendrotkreuz Materialien für Kinder und Jugendliche entwickelt, in denen die aktuellen Ereignisse aufgegriffen und beschrieben werden. Ergänzend dazu hat das Jugendrotkreuz Tirol am 22. März in Kooperation mit dem Metropol Kino Innsbruck und der Wagner’schen Universitätsbuchhandlung zu einem Infotalk für Pädagog:innen, aber auch für die interessierte Öffentlichkeit eingeladen. Als Vortragende konnte die renommierte Kinder- und Jugendpsychologin Sandra Velásquez Montiel gewonnen werden.

 

Raum für Gefühle und Gedanken geben 

Ein Konflikt, wie wir ihn derzeit in Europa erleben, kann für Kinder und Jugendliche beängstigend sein. Weil die Ereignisse für Eltern einen ungewissen Ausgang haben, überträgt sich die daraus resultierende Unruhe auf die Kinder. "Entscheidend ist dann die Haltung der Erwachsenen, denn über diese kann es auch in unsicheren Zeiten gelingen, Kindern Klarheit und Sicherheit zu vermitteln“, sagt die Kinder- und Jugendpsychologin Sandra Velásquez Montiel. „Eltern können ihren Kindern ein Gefühl der Sicherheit vermitteln, indem sie Regelmäßigkeit und Routine in den Alltag bringen und diesen auf zuverlässigen Strukturen aufbauen. „Geben Sie den Kindern Raum für ihre Gefühle und Gedanken, ohne zu beurteilen.“ Die Kinderpsychologin weiß aus ihrer Praxis, dass viele Erwachsene dazu tendieren, alles schnell und möglichst ‚perfekt‘ erklären zu wollen, damit ihre Kinder keine unangenehmen Empfindungen erleben. „Das funktioniert nicht. Nehmen Sie auch mal Tempo raus“. 

 

Je nachdem wie alt das Kind ist, sind unterschiedliche Herangehensweisen zu wählen, wie man mit dem Kind über Konflikte spricht. Bei Kindergartenkindern geht es in erster Linie darum, ihnen Sicherheit zu geben und komplizierte Zusammenhänge einfach zu beschreiben. Im Alter von 7 bis 12 Jahren haben Kinder zunehmend mehr Wissen und komplexere Fragen zur Situation. „Finden Sie heraus, was der Wissensstand Ihres Kindes ist und geben Sie vor allem Raum für die Gefühle hinter den Fragen, denn manche Fragen rund um Krieg, Tod und Leiden lassen sich nicht vollständig erklären" sagt Sandra Velásquez Montiel. "Vermitteln Sie emotionale Sicherheit, denn das ist die Basis, dass das Kind verstehen kann, was gerade passiert“. Im Umgang mit älteren Kindern wird es vor allem darum gehen, sie vor einem übermäßigen Medienkonsum zu schützen und die Informationsflut, denen die Kinder ausgesetzt sind, zu regulieren. „Helfen Sie Kindern und Jugendlichen, seriöse von sensationalistischen Informationsquellen zu unterscheiden“. Und einen Ratschlag will die Expertin Eltern jedenfalls mit auf den Weg geben, weil er für alle Kinder gilt: „Bauen Sie in den Tag der Kinder Freude an Bewegung ein, denn Bewegung und Freude sind das Gegenteil von Trauma“.

PädagogInnen und Eltern – gemeinsam die Kinder unterstützen
Dagmar Klingler-Newesely ist Bezirksleiterin des Jugendrotkreuzes in Innsbruck und Volksschuldirektorin. Sie hat den Infotalk initiiert, weil sie schon innerhalb kurzer Zeit nach Ausbruch des bewaffneten Konfliktes feststellen musste, dass dieser einen großen Schrecken bei den Kindern ausgelöst hat. „Der Ukraine-Konflikt ist omnipräsent an der Schule. Vor allem wollen die Kinder wissen, was es bedeutet, wenn ein Krieg in Europa stattfindet. Ist auch bei uns Krieg? Pädagog:innen müssen darauf Antworten haben“. Die Materialien des Jugendrotkreuzes werden an der Schule eingesetzt und sind hilfreich. Klingler empfiehlt auch den Eltern, sich mit diesen Unterlagen auseinanderzusetzen, denn: „Wichtig ist, dass Pädagog:innen und Eltern die Kinder jetzt gemeinsam unterstützen. Ob Schule oder Elternhaus, die Antworten auf eine Frage sollen da wie dort ähnlich sein, um dem Kind Sicherheit und Klarheit zu geben“. 

 

Aktivitäten gezielt fördern
Das Österreichische Jugendrotkreuz hat die Aufgabe, die Grundsätze des Roten Kreuzes an Kinder und Jugendliche zu vermitteln und das humanitäre Völkerrecht zu verbreiten. „Kommt es zu Konflikten und bewaffneten Auseinandersetzungen, haben Kinder nicht nur Fragen, sondern sie wollen auch selber aktiv werden und helfen“, sagt Philipp Schumacher, Landesleiter des Jugendrotkreuzes in Tirol. Die Hilfeleistungen sind unterschiedlich: „Ob Kinder Spenden sammeln, Grußkarten für die Menschen aus der Ukraine verfassen oder Friedenstauben basteln – als Jugendrotkreuz haben wir viele Angebote, wie man mit den Kindern aktiv und altersadäquat arbeiten kann. Unvoreingenommen selbst schon mit den Jüngsten zu sprechen und mit ihnen aktiv zu werden hilft, dass sie besser mit jenen Ereignissen zurechtkommen, die Europa derzeit zu tiefst bewegen“, so Philipp Schumacher. Alle gesammelten Materialien sind auf der Homepage des Österreichischen Jugendrotkreuzes abrufbar: https://www.jugendrotkreuz.at/ukraine/

Jugendrotkreuz Tirol|Philipp Schumacher