Welttag der Suizidprävention: Telefonseelsorge bietet Experten-Chat

Am Freitag, den 10. September ist Weltsuizidpräventionstag. Die Telefonseelsorge – Notruf 142 – bietet zusätzlich zu ihrem Angebot vom 10. bis 17. September einen Chat mit Expertinnen und Experten an

Suizid ist eine der häufigsten Todesursachen weltweit. Im Jahr 2020 nahmen sich 1.072 Personen in Österreich das Leben – das entspricht etwa drei Personen pro Tag. Auffallend ist, dass sich nach wie vor deutlich mehr Männer als Frauen das Leben nehmen und deutlich mehr ältere Menschen als Jüngere (siehe Grafik). Über ein Drittel aller Suizide in Österreich entfallen auf Menschen über 65. Bei den Jüngeren (bis ca. 30 Jahre) ist der Suizid hinter Verletzungen und Vergiftungen die häufigste Todesursache.

Hinzu kommt, dass die Anzahl der Suizidversuche die Zahl der tatsächlich durch Suizid verstorbenen Personen um das 10- bis 30-Fache übersteigt. Allerdings führen Tabuisierung, Stigmatisierung und Scham- oder Schuldgefühle häufig zu einer Verschleierung suizidalen Verhaltens. Auch werden nicht alle Suizidversuche als solche erkannt oder führen zu einem Kontakt mit dem Gesundheitssystem. Daher liegen keine verlässlichen Daten bzw. Zahlen zu Suizidversuchen vor.

  

Suizidprävention wirkt 

Es hat sich gezeigt, dass ein proaktives Vorgehen von unterstützenden Gesundheitssystemen und der Gesellschaft dazu beiträgt, Suizide zu verhindern. Und auch die Zahlen zeigen, dass Suizidprävention wirkt. Das bestätigt die Leiterin der Telefonseelsorge Innsbruck Astrid Höpperger: „Seit den 1980er Jahren ist die Suizidrate in Österreich zurückgegangen. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der weltweiten Coronakrise sollte der Suizidprävention nach wie vor eine hohe Bedeutung beigemessen werden. Der Weltsuizidpräventionstag am 10. September rückt das Thema in den Fokus. Dabei wirkt dieser Tag der Tabuisierung entgegen und schafft somit ein offeneres soziales Klima, in dem das Hilfesuchen nicht verurteilt wird und mit weniger Scham behaftet ist.“

Meist gibt es nicht die eine Ursache für einen Suizid: Zu Suiziden kommt es nicht nur im Verlauf psychiatrischer Erkrankungen, sondern auch infolge von schweren Lebenskrisen. „Das kann etwa der plötzliche Tod eines nahen Angehörigen sein. Dabei ist es wichtig zu verstehen, dass sich Menschen mit Suizidgedanken oft überfordert fühlen und Ausweglosigkeit spüren. Vielfach geht es zunächst darum, dass ein Mensch ‚so‘ nicht weiterleben möchte“, so Höpperger. Gleichzeitig wird nicht jeder Mensch bei Krisen oder unter großer Belastung suizidal. Es gibt eine Reihe von Faktoren, die Krisen bzw. Stressoren abfedern können und schützend wirken, wie Höpperger erläutert: „Dazu zählen zum Beispiel ein hohes Selbstwertgefühl, ausreichend Selbstvertrauen, soziale Kompetenzen, positive Bewältigungsstrategien oder Problemlösefähigkeiten.“

Diese Schutzfaktoren sind gleichermaßen wichtig und tragen ihrerseits zu einer höheren Resilienz bei. Deshalb ist die Erweiterung und Stärkung der Schutzfaktoren ebenfalls ein wichtiges Ziel einer umfassenden Strategie zur Suizidprävention. Die Bereitschaft, bei psychischen Gesundheitsproblemen Hilfe zu suchen, ist u. a. durch die persönliche Einstellung bestimmt. Dem gegenüber stehen oft die Tabuisierung und Stigmatisierung psychischer Erkrankungen, was dazu führt, dass Betroffene – und insbesondere Männer – nur ungern Hilfe suchen.

  

Suizidgefährdete Menschen brauchen ein offenes Ohr 

Entscheidend ist aber auch, dass suizidgefährdete Personen ein Gesprächsangebot gemacht wird und ihnen dabei verständnisvoll, nicht wertend begegnet wird, was ihre Suizidgedanken und -absichten betrifft. Die Leiterin der Telefonseelsorge: „Die Menschen, die suizidgefährdet sind, benötigen ein Gegenüber, mit dem sie offen über ihre Probleme und Suizidgedanken sprechen können. Das rund um die Uhr und österreichweit verfügbare Angebot der Telefonseelsorge stellt dabei eine wichtige suizidpräventiv wirksame Institution dar. Eine Ergänzung dazu bietet die Onlineberatung mit der Möglichkeit zu chatten oder zu mailen.“

Gerade die aktuelle Corona-Pandemie stellt für viele Menschen ein kritisches Lebensereignis bzw. einen andauernden Stressor dar. Beispielsweise hält die wirtschaftliche Belastung in vielen Fällen an, Gefühle von Ohnmacht können bestehen bleiben oder posttraumatischer Stress tritt auf. „Es ist daher von einer Zunahme von persönlichen Krisenentwicklungen auszugehen, vor allem dann, wenn soziale Folgen spürbar bzw. anhaltend sind. Deshalb ist es besonders wichtig, schon im Vorfeld präventiv tätig zu sein und zur Sensibilisierung der Allgemeinheit für das Thema Suizidalität beizutragen“, betont Astrid Höpperger.

Suizidale Personen nehmen – oft unter Aufbietung aller Kräfte – per Telefon, E-Mail oder Chat Kontakt mit der Telefonseelsorge auf und sprechen über ihr Gefühl der absoluten Ausweglosigkeit. Seit mehr als 50 Jahren wenden sich Menschen in akuten Krisensituationen an die Telefonseelsorge – Notruf 142. Astrid Höpperger schildert zwei konkrete Beispiele: „Da ist der Anrufer, der immer öfter an Suizid denkt – auch wenn er ihn nie machen möchte. Er ist mit der Pflege der Eltern sehr gefordert und hat Sehnsucht nach jemandem, der ihm zuhört und ihn ernst nimmt. Oder die Anruferin, die das Gespräch mit den Worten beginnt: ‚Ich bin momentan so am Ende.‘ Ihr Ehemann ist im Vorjahr verstorben, ihre drei erwachsenen Kinder sieht sie kaum. Sie fühlt sich so alleine, weil ihr Mann ihr sehr fehlt, obwohl die Ehe schwierig war. Sie ist dankbar, dass sie anrufen kann.“

 

Aktiv Hilfe suchen: Telefonseelsorge – Notruf 142 

Die Telefonseelsorge – Notruf 142 ist in Krisensituationen eine erste Ansprechpartnerin. Das Gespräch mit professionell ausgebildeten Berater*innen kann entlasten, neue Perspektiven aufzeigen, Lösungswege eröffnen oder Sprungbrett für weitere Hilfsangebote sein. Vertraulich und kostenlos ist die Telefonseelsorge unter der Nummer 142 rund um die Uhr erreichbar. Wer lieber schreibt, kann sich an die Mail- und Chatberatung wenden:www.onlineberatung-telefonseelsorge.at

 

ExpertInnenchats anlässlich des Weltsuizidpräventionstags 

Im Rahmen des Weltsuizidpräventionstags, der dieses Jahr unter dem Motto „Creating Hope through action“ („Aktiv werden und Hoffnung schaffen“) steht, bietet die Telefonseelsorge außerdem Chats mit Expert*innen zu unterschiedlichen Schwerpunkten – Krise, Jugend und Trauer – an. Menschen, die sich in einer schwierigen Lebenssituation befinden und sich hoffnungslos fühlen, können im Chat einer/m Expert*in anonym ihre Geschichte erzählen. Auch Personen, die sich Sorgen um einen suizidgefährdeten Angehörigen machen oder jemanden aus dem Familien- oder Freundeskreis durch Suizid verloren haben, können sich Unterstützung im Chat holen und Expert*innen anonym Fragen stellen.

Die Chattermine sind unter www.onlineberatung-telefonseelsorge.at kostenfrei buchbar.

 

 

Empfehlungen der TelefonSeelsorge

-       Ernst nehmen: In jedem Fall sind Suizidabsichten ein Notsignal und Zeichen eines starken Leidensdrucks. Dieser Hilferuf sollte keinesfalls überhört werden. Suizidale Absichten oder auch ein Suizidversuch stellen keinen unwiderruflichen Entschluss dar – Hilfe ist möglich!

-       Beziehung aufbauen: Dem/Der Betroffenen vermitteln, dass man an ihm/ihr und all seinen/ihren Gefühlen und Problemen interessiert ist. Die Erfahrung von Verbundenheit ist essentiell für die psychische Gesundheit und kann Halt geben.

-       Ansprechen: Ein offenes Gespräch über die Suizidgedanken stellt für die Betroffenen oft eine emotionale Entlastung dar.

-       Ressourcen erkunden und daran orientieren: Welche Ressourcen hat der/die Betroffene selber? Welche gibt es in seinem/ihrem sozialen Umfeld? Welche professionellen Unterstützungsmöglichkeiten gibt es?

-       Auf niederschwellige Hilfsangebote aufmerksam machen und zur Inanspruchnahme ermutigen.

-       Selbst Hilfe suchen: Die Auseinandersetzung mit suizidalen Menschen kann sehr belastend sein. Wir werden dabei mit unserer Verletzlich- und Vergänglichkeit konfrontiert und können uns plötzlich selbst hoffnungslos fühlen. Holen Sie sich Hilfe und sorgen Sie gut für sich.