Unterstützung für Kultusgemeinde: 100 Jahre alte Torarolle restauriert

Christliche Kirchen unterstützen Finanzierung historischer Torarolle – feierliche Übergabe für Jänner 2021 geplant.

Christliche Kirchen Tirols unterstützen die Restaurierung einer 100 Jahre alten Torarolle der jüdischen Gemeinde. Für Bischof Hermann Glettler und Superintendent Olivier Dantine ist das ein Zeichen der Wertschätzung, Dankbarkeit und freundschaftlichen Verbundenheit. Die Rolle, aus der im Gottesdienst vorgelesen wird, enthält die fünf Bücher Mose. Sie entspricht dem Alten Testament und gilt damit nicht nur gläubigen Juden als heilig.

 

Aufwändige Arbeit 

Ein sogenannter Sofer (Schreiber) hat in monatelanger Handarbeit die schadhaften Stellen auf der Pergamentrolle ausgebessert, hat unleserlich gewordene hebräische Schriftzeichen Buchstabe für Buchstabe nachgezeichnet. Das Ergebnis kann sich sehen lassen, hat aber seinen Preis. Die Restaurierung kostet die Israelitische Kultusgemeinde knapp 13.000 Euro.

Das Komitee für christlich-jüdische Zusammenarbeit, die Diözese Innsbruck, die Evangelische Kirche und der Bischof-Stecher-Gedächtnisverein helfen bei der Finanzierung. Über einen gemeinsamen Spendenaufruf sind etwas mehr als 8.000 Euro zusammengekommen. Das Komitee für christlich-jüdische Zusammenarbeit hat Bischof Reinhold Stecher 1989 ins Leben gerufen, um „überkommene Schranken abzubauen, sich verstärkt der Gemeinsamkeiten klar zu werden und Wege zueinander zu ebnen.“

 

Übergabe im Jänner 

Die Israelitische Kultusgemeinde für Tirol und Vorarlberg mit Präsident Günter Lieder freut sich jedenfalls über die gelungene Restaurierung der Torarolle und den Schulterschluss der christlichen Gemeinschaften. Im Jänner soll die Rolle wieder von Wien in die Innsbrucker Synagoge in der Sillgasse zurückkehren. Dann kann sie endlich wieder ihrem eigentlichen Zweck im Gottesdienst dienen.

 

Stimmen: 

Bischof Hermann Glettler: „Jeder Form des Antisemitismus, in welcher Fratze er versteckt oder offen heute wieder auftaucht, müssen wir entschieden entgegentreten. Wir alle haben von Gott den Auftrag erhalten, uns für die Verständigung und den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft aktiv einzusetzen. Ja, wir wollen einander zum Segen werden – auch in Zukunft. Das geht nur durch ein aktives Interesse füreinander und in einer grundlegenden gegenseitigen Wertschätzung.“

 

Superintendent Olivier Dantine: „Es ist durchaus ungewöhnlich, wenn Vertreter christlicher Kirchen zu Spenden für einen liturgischen Gegenstand einer anderen Religion aufrufen. Allerdings handelt es sich nicht um irgendeinen liturgischen Gegenstand. Nicht nur, dass die Torarolle ganz zentrale Bedeutung für eine Synagoge hat, die Tora ist eines der verbindenden Elemente von Christen und Juden. So sehen wir die Tora als eine Gabe des Judentums an das Christentum. Über Jahrhunderte hinweg haben sich Christen gegenüber diesem Geschenk respektlos verhalten. Eine traurige jahrhundertelange Geschichte der christlichen Judenfeindschaft war die Folge. Dagegen setzen wir nun dieses Zeichen der Dankbarkeit, auch im Sinne des in Tirol mittlerweile vertrauensvollen Miteinanders zwischen Juden und Christen.“

  

Präsident Günter Lieder: „Die Israelitische Kultusgemeinde für Tirol und Vorarlberg freut sich darüber und ist dankbar dafür, dass das lokale Komitee für christlich-jüdische Zusammenarbeit und der Bischof-Stecher-Gedächtnisverein sie durch eine ökumenische Spendenaktion dabei unterstützt, eine ihrer Torarollen restaurieren zu lassen. Darüber hinaus ist diese einzigartige Aktion ein starkes Symbol für das (neu) gewonnene Miteinander von Judentum und Christentum.“

Im Rahmen des christlich-jüdischen Dialogs wurde eine 100 Jahre alte Tora-Rolle aus der Innsbrucker Synagoge restauriert. Präsentiert wird diese Tora-Rolle beim Tag des Judentums 2021: v.l. Präsident Günter Lieder, Bischof Hermann Glettler, Obmann Peter Jungmann und Superintendent Olivier Dantine. Foto: Diözese Innsbruck/Gstaltmeyr