Unsere Kultur braucht die Kraft des Kreuzes

Die Karwoche ist lebensnäher als alle künstlichen Erlebniswelten, sagt der Innsbrucker Theologieprofessor Jozef Niewiadomski.

"Eine Kultur, die das Kreuz ablehnt und gegen das Kreuz protestiert, beraubt sich einer enormen Kraft". Das betonte der Innsbrucker Theologe Prof. Jozef Niewiadomski in einem "Kathpress"-Gespräch im Blick auf die bevorstehenden Kar- und Osterfesttage. So erinnere das Kreuz den Menschen daran, dass "nicht alles machbar" sei, dass es immer noch einen Bereich des Unverfügbaren gebe. Zwar spreche aus einer Rebellion gegen das Kreuz, die es auch in der Theologie immer wieder gegeben hat, auch Protest und eine besondere Sensibilität für das reale Leiden in der Welt, doch gehe es um den schmalen Grat eines Gleichgewichts zwischen "Widerstand und Ergebung". Wenn zu Ostern das Kreuz in den Mittelpunkt rückt, so immer in diesem Spannungsverhältnis, so Niewiadomski.

Gerade die kommenden Festtage laden laut Niewiadomski dazu ein, dieser tiefen Wahrheit hinter den ritualisierten liturgischen Abläufen nachzuspüren. So erscheine bei rechter Betrachtung etwa die Karwoche heute "moderner und lebensnäher als alle heutigen künstlichen Erlebniswelten". Niewiadomski: "Modern ist die Karwoche, weil sie in einem Rausch sondergleichen anfängt. Der kometenhafte Aufstieg Jesu in den besten Lebensjahren. Auf dem Weg in die Hauptstadt. In das Herz der Welt. Palmsonntag als Starmania pur." Eine Aufstiegserfahrung, "die jeder kennt - zumindest als Wunschtraum".

Doch ebenso erweise sich die Aktualität der Karwoche in ihrem weiteren Fortgang, in dem die jubilierenden Erfahrungen des Palmsonntag, an dem Jesus - einem Star gleich - in Jerusalem einreitet, jäh zerstört werden, so Niewiadomski: "Dem Aufstieg folgt der Fall, der Sturz ins Bodenlose." So liege in jedem Traum vom Aufstieg und Ruhm immer auch die Drohung des Falls und Niedergangs verborgen - "der eigentliche Kreuzweg beginnt hier".

Der christliche Glaube nehme diese Lebensnähe bewusst auf und transformiere sie, so der Theologe: "Für den Christen gibt es keinen Kreuzweg, kein Kreuz ohne die Auferstehung." Dabei sei jedoch zu beachten, dass es keinen "Automatismus" gebe: "Nur wenn wir die Trauer des Karfreitags und die bodenlose Sinnlosigkeit des Karsamstags aushalten, dürfen wir auf den Ostersonntag hoffen."

"Zeugen werden in modernder moderner Welt"
Vor diesem Hintergrund könne das Osterfest zugleich als Aufruf verstanden werden, "Zeuge zu werden in einer modernden modernen Welt". "Modernd" ist die Welt laut Niewiadomski immer dort, wo sie sich in die "Apathie eines angeblich unwiderruflichen Laufs der Dinge" einfüge. Der Imperativ "Habt Angst vor der Zukunft!" sei - so der Theologe - zur bestimmenden medialen Formel geworden, "die uns einen weiteren schweren Stein um den Hals" lege. "Habt Angst vor dem Rinderwahn, habt Angst um eure Arbeitsplätze, habt Angst vor Jugendlichen, den potenziellen Amokläufern, habt Angst vor der Klimakatastrophe, schussendlich habt Angst vor den klerikalen Missbrauchstätern" - mit "Wolllust und Erschrecken zugleich" ergötze sich der Mensch heute an diesen Imperativen. 

Die österliche Hoffnung auf Auferstehung bedeute in diesem Kontext zugleich die Hoffnung, diesen "Kreislauf der Fatalität" zu durchbrechen, so Niewiadomski. Auf der "Matrix statistischer Wahrscheinlichkeiten" sei eine Auferstehung nicht denkbar, doch genau an dieser Stelle setze der christliche Glaube an und rufe den Menschen in die Zeugenschaft. "So erging es auch den Aposteln, die von Zweiflern, Feiglingen, ja Verrätern zu Zeugen der Überzeugung wurden." So gewinne die christliche Botschaft von Ostern eine neue, immer wieder freizulegende Aktualität: "Nichts, aber auch gar nichts steht dem Christen im Wege: nicht einmal der Tod. Daher werde auch du zum Zeugen der Auferweckung für diese modernde moderne Welt. Und vergiss nicht: Du bist nicht allein."

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Diözese Innsbruck - Aktuell