Theologe Palaver: Dostojewskis Werke auch heute noch aktuell

Innsbrucker Sozialethiker zieht zum runden Geburts- und Todestag des russischen Schriftstellers Parallele zwischen Legende vom Großinquisitor und heutiger Flüchtlingsdebatte.

Im "auch heute noch aktuellen" Werk von Fjodor Michailowitsch Dostojewski (1821-1881) sieht der Innsbrucker Theologe Wolfgang Palaver mehrere Anklänge an Brennpunkt-Themen der Gegenwart. So bei der berühmten Legende vom "Großinquisitor" aus Dostojewskis Roman "Die Brüder Karamasow", die an heutige Konflikte über die Flüchtlingsfrage erinnere, oder im Traum einer Romanfigur über ein bedrohliches Virus aus Asien. Der russische Schriftsteller, dessen Geburtstag vor 200 Jahren und Todestag vor 140 Jahren ihn zum literarischen Jahresregenten machen, habe das Christentum neu zu denken versuchte. "Und er spricht das auf eine Weise an, die auch uns heute immer noch etwas zu sagen hat", sagte Palaver im Interview der Kooperationsredaktion österreichischer Kirchenzeitungen.

Dostojewskis habe sich intensiv mit den wesentlichen Fragen des Glaubens und auch mit Bibeltexten auseinandergesetzt. Das Motto, das er dem Werk "Die Brüder Karamasow" voranstellte, sei das biblische Wort vom Weizenkorn aus dem Johannesevangelium, erinnerte der Innsbrucker Sozialethiker. Die darin geschilderte Legende vom Großinquisitor skizziere eine ordnungsliebende, die Welt verwaltende, politisch-religiöse Machtperson, die sich vom wiedergekommenen Christus gestört fühlt, ihn aber aus dem Kerker entlässt - mit der Auflage zu verschwinden und nicht mehr wiederkommen.

"Diese Stelle finde ich auch ganz aktuell", sagte Palaver: "Verfolgt man jetzt in Österreich die Flüchtlingsdebatte, dann kann ich mir gut vorstellen, dass es auch in den Behörden und in der Regierung Leute gibt, die froh wären, wenn die Bischöfe und andere christliche Vertreter, die sich für Flüchtlinge einsetzen, den Mund halten, weil sie natürlich stören." Dostojewski beschreibe ein Christentum, "das den Impuls Jesu nicht mehr brauchen kann, weil das zu Unruhe führt".

Ein Virus ergreift die ganze Welt
Verblüffend aktuell sei ein im Roman "Verbrechen und Strafe" geschilderter Traum einer Romanfigur, dass aus Asien ein Virus kommt, das die ganze Welt ergreift und die Leute dann gewalttätig werden. Auch die Themen Nationalismus und Religion habe Dostojewski in seinen Werken aufgegriffen, so Palaver. Im Roman "Böse Geister" erkläre die Figur des nicht-gläubigen Schatow, Gott müsse in einem Volk verkörpert sein und dieses dadurch erstrangig sein. "Wenn man das heute liest im Hinblick auf die Debatten von 'America First', also 'Amerika zuerst', oder ähnlichen Themen in anderen Ländern, ist auch das brisant", merkte der Theologe an. 

Dostojewski, der unter Epilepsie litt, starb am 9. Februar 1881 in St. Petersburg. Er war nicht nur ein bedeutender Schriftsteller mit zur Weltliteratur zählenden Werken wie "Verbrechen und Strafe", "Der Spieler", "Der Idiot", "Die Dämonen", "Der Jüngling" und "Die Brüder Karamasow", sondern gilt auch als ein herausragender Psychologe.

Eine Meldung von www.kathpress.at