Suizidprävention – vorrangiges Ziel einer humanen Gesellschaft

Die beiden Bischöfe Hermann Glettler (Innsbruck) und Benno Elbs (Feldkirch) appellieren in einem gemeinsamen Statment für ein "bewusstes Miteinander": „Oberstes Ziel einer Gesellschaft, wo Menschen füreinander Verantwortung wahrnehmen, muss die Suizidprävention sein.“ Lesen Sie hier die Stellungnahme der Bischöfe im Wortlaut.

Bischof Benno Elbs und Bischof Hermann Glettler 

Suizidprävention – vorrangiges Ziel einer humanen Gesellschaft 

Ein Suizid ist immer Ausdruck großer Hoffnungslosigkeit, eine Tragödie, die in ihrer Endgültigkeit unsagbares Leid hinterlässt. Selbstverständlich steht niemandem ein Urteil über einen Menschen zu, der diesen Schritt aus einer persönlich erlebten Not oder Ausweglosigkeit heraus setzt. Dennoch muss es das Ziel einer humanen Gesellschaft bleiben, alles daran zu setzen, dass Menschen in den vielfältigen Krisensituationen des Lebens nicht allein gelassen werden. Es braucht gerade aufgrund der psychischen Long-Covid-Folgen ein verstärktes Netz der Aufmerksamkeit, um rechtzeitig Hilfe anbieten zu können. Wir dürfen uns nicht daran gewöhnen, dass jährlich eine große Zahl von Menschen aus Verzweiflung eine Selbsttötung dem Leben vorzieht. Jeder Suizid löst vor allem bei den Hinterbliebenen eine tiefe Ohnmacht aus, ein Gefühl, in der Kommunikation und Verantwortung für eine nahestehende Person versagt zu haben. Für die Trauernden bleiben unendlich viele Fragen offen. Die Wunden bleiben meist ein Leben lang.

  

Durch Handeln Hoffnung schaffen 

Am Welttag der Suizidprävention gedenken wir aller Menschen, die durch Suizid verstorben sind, und setzen bewusste Hoffnungszeichen für jene, die direkt oder indirekt von Suizidalität betroffen sind. „Durch Handeln Hoffnung schaffen“, das aktuelle Motto des weltweiten Gedenktages, ist eine Mahnung zu einer solidarischen Gesellschaft, ein Aufruf, alles für eine „Kultur des Lebens“ in die Waagschale zu werfen. Dies bedeutet zusätzlich zum persönlichen Engagement für ein bewussteres Miteinander auch den Ausbau professioneller Hilfe: Es gibt eine Reihe von Gesprächs-, Begleitungs- und Hilfsangeboten für Menschen mit Suizidgedanken und -absichten, aber auch für sich sorgende und trauernde Angehörige, die anonym in Anspruch genommen werden können. Nicht zuletzt versuchen wir als Kirche mit Seelsorge, niederschwelliger Begleitung und Gebet in besonders erschütternden oder belastenden Lebenssituationen Mut und Hoffnung zu geben. Die Telefonseelsorge (kostenlose Tel. 142) und vielfältige Unterstützungsangebote von Caritas oder Hospiz sind hier zu erwähnen. Tatsächlich bestätigt sich das Motto des diesjährigen Gedenktages, weil durch jede Geste und noch so kleine Tat solidarischer Verbundenheit, ein Moment von Hoffnung geschaffen wird.

  

Staatsziel Suizidprävention 

Oberstes Ziel einer Gesellschaft, in der Menschen füreinander Verantwortung wahrnehmen, muss die Suizidprävention sein. Durch die bevorstehende gesetzliche Straffreistellung der Suizid-Beihilfe darf nicht das Signal gegeben werden, dass es zukünftig einen „schlechten“ und einen „guten“ Suizid gibt. Der eine ist zu vermeiden und der andere wird als Option für eine scheinbar autonome Beendigung des Lebens gesellschaftsfähig. Jede Selbsttötung beendet für den betroffenen Menschen die Möglichkeiten einer freien Lebensentscheidung – sie kann deshalb nie Ausdruck einer letzten freien Entscheidung sein. Der Ausdruck „Freitod“ verharmlost die dahinterstehende Tragödie. Wer suizidgefährdete Menschen begleitet, weiß um deren großen inneren Druck und die Dynamik der Einengung der Gefühle und wahrnehmbarer Handlungsoptionen (präsuizidales Syndrom). In diesem Zusammenhang wiederholen wir die Forderung an den Gesetzgeber, die Ablehnungsfreiheit einer etwaigen direkten oder indirekten Mitwirkung an einem Suizid sowohl für Individuen als auch für organisatorische Einheiten zu garantieren. Und im Einklang mit unterschiedlichsten Interessensverbänden und allen Religionsgemeinschaften unterstreichen wir das zentrale Anliegen einer künftigen Gesetzgebung: Das Verbot der Tötung auf Verlangen muss rechtlich solide abgesichert werden. Für die Kirche sind sowohl der Schutz des Lebens als auch die Autonomie menschlicher Freiheit hohe Güter, die niemals gegeneinander ausgespielt werden dürfen.

  

Die einzigartige Würde des Lebens 

Wir möchten abschließend Papst Franziskus zitieren, der am vergangenen Sonntag einen berührenden Appell ausgesprochen hat: „Zu oft werden die Kranken und die Leidenden zu einem Problem, während sie eine Gelegenheit darstellen sollten, die Fürsorge und Solidarität einer Gesellschaft gegenüber den Schwächsten zum Ausdruck zu bringen.“ Allen, die sich für andere Menschen einsetzen und das Evangelium bezeugen, sprach Franziskus seinen Dank aus. Es gebe viele Menschen die „auf unterschiedliche Weise ihr Bestes tun, um den Kranken, den Alten, den Einsamen und den Mittellosen zu dienen“. Zugleich rief Franziskus dazu auf, immer wieder neu auf den „unschätzbaren Wert“ des menschlichen Lebens hinzuweisen. Lebensschutz ist für die Kirche keine Ideologie, er ist Realität, weil jeder Mensch eine einzigartige Würde hat.