Selbstbestimmung im Alltag für Menschen mit Behinderungen

slw Innsbruck entwickelt unter dem Motto „Mitten im Leben“ kleinstrukturierten Wohnraum für Menschen mit Behinderungen

Für all jene Menschen mit Behinderungen, die (noch) nicht alleine leben wollen oder können, ermöglichen kleine barrierefreie Wohneinheiten, die auf ihre Bedürfnisse abgestimmt sind und über eine entsprechende Assistenz verfügen, mehr selbstbestimmte Lebensführung. „Unter dem Motto ‚Mitten im Leben‘ schafft das slw Innsbruck kleinstrukturierten Wohnraum mit guter Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr in Innsbruck und die städtische Infrastruktur“, berichtet Johann Aigner, Leiter des slw Innsbruck. Zukünftig sind dort Wohnbereich und Tagesstruktur räumlich voneinander getrennt. Dadurch wird ein Mehr an Normalität im Lebensalltag von Menschen mit Behinderungen ermöglicht, die bisher meist Tagesstruktur und Wohngruppe unter einem Dach vereint hatten. Vonseiten des Landes wird diese Form der Begleitung von Menschen mit Behinderungen inhaltlich und finanziell unterstützt. Im Jahr 2020 nahmen 725 Menschen mit Behinderungen in Tirol die Leistung „Wohnen exklusive Tagesstruktur“ in Anspruch. Davon wurden/werden 47 von der Dienstleisterin slw im Rahmen dieser Leistung betreut.

 

Artikel 19 der UN-Behindertenrechtskonvention erkennt das Recht von Menschen mit Behinderungen mit den gleichen Wahlmöglichkeiten wie andere Menschen in der Gemeinschaft zu leben an. „Selbstbestimmung und unabhängige Lebensführung sind zentrale Elemente der UN-Behindertenrechtskonvention. Selbstbestimmte Lebensführung heißt, die Wahlmöglichkeit zwischen verschiedenen Wohnformen und der individuell passenden Tagesstruktur zu haben“, betont Soziallandesrätin Gabriele Fischer. Bedarfsgerechte tagesstrukturierende Angebote und die Wahlfreiheit der Wohnform sowie die die Verkleinerung von Einrichtungen der Behindertenhilfe sind daher auch wichtige Inhalte des Tiroler Teilhabegesetzes.

 

Einrichtungstour „Hingehen, wo die Menschen sind“ 

Jakob Rauchbauer lebt seit drei Jahren gemeinsam mit sechs weiteren BewohnerInnen in der 2018 errichteten slw-Wohngemeinschaft in der Reichenau in Innsbruck. Im Rahmen ihrer Einrichtungstour „Hingehen, wo die Menschen sind“ begleitete LR Fischer den jungen Mann kürzlich von seiner Tagesstruktur im Saggen nach Hause und erfuhr so Einiges über seinen Alltag. Jakob Rauchbauer pendelt üblicherweise mit dem öffentlichen Verkehr alleine zwischen seiner Wohngemeinschaft und der Tagesstruktur. „Es war für mich eine ziemliche Umstellung, für die Ausübung meiner Tätigkeit das Haus zu verlassen. Inzwischen habe ich mich gut eingelebt – auch der Weg zur Arbeit ist eine Selbstverständlichkeit“, berichtet er. Sein langfristiges Ziel ist es, einmal alleine zu leben. Außerdem möchte er sich gerne zum Peer-Berater ausbilden lassen: Die Peer-Beratung, ein Instrument entwickelt aus der amerikanischen Selbstbestimmungsbewegung, meint Beratung von Menschen mit Behinderung für Menschen mit Behinderung.

 

„Wir wollen weg von der Betreuung hin zur Begleitung von Menschen mit Behinderungen“, stellt LR Fischer klar. Aus diesem Grund legt das Tiroler Teilhabegesetz fest, dass in Einrichtungen der Behindertenhilfe nicht mehr als zwölf Menschen mit Behinderungen pro Standort leben sollen, um auf die individuellen Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen besser eingehen zu können und ein höchstmögliches Maß an Selbstbestimmung zu gewährleisten.

Soziallandesrätin Gabriele Fischer begleitete Jakob Rauchbauer von der Tagesstruktur im Innsbrucker Saggen auf seinem Heimweg in die Reichenau. © Land Tirol/Reichkendler