Reimmichl-Kalender sorgt für Seelennahrung

Nach einem Gottesdienst mit Bischof Hermann in Heiligkreuz in Hall und einer Gräbersegnung wurde der 100. Reimmichl-Kalender vorgestellt.

Der Tiroler Priesterdichter Sebastian Rieger alias Reimmichl (1867-1953) hat u.a. mit seinem seit 100 Jahren bestehenden beliebten Volkskalender die kultur- und gesellschaftspolitische Landschaft Tirols über Jahrzehnte geprägt. Der Innsbrucker Bischof Hermann Glettler würdigte den Verfasser von "Seelennahrung" in Form von Erzählungen, Romanen und heiteren Geschichten am zweiten Adventsonntag bei einer Jubiläumsfeier in dessen Wirkungs- und Sterbeort Hall in Tirol. Auch heute gelte es "von der Schönheit und Zerbrechlichkeit des irdischen Lebens - und von der Sehnsucht nach einem ewigen" zu erzählen, so Glettler.

Seit dem erstmaligen Erscheinen des Reimmichl-Volkskalenders mögen sich zwar die gesellschaftlichen Strukturen und Prozesse verändert haben, "die Sehnsüchte der Menschen sind jedoch dieselben geblieben", sagte der Bischof in seiner Predigt: Er nannte die "Sehnsucht nach einem unzerstörbaren Sinn, nach unverwechselbarer Individualität und Identität, nach Freiheit, nach einem Obdach für die Seele sowie nach Heimat und Beziehung". Reimmichls Werk habe diese Sehnsüchte erfüllt, in dem er Menschen "weitsichtig, offen und neugierig" wahrnahm, ihnen ein ganz konkretes Gesicht gab und sie zu Protagonisten seiner Geschichten machte, so Glettler.

So wie in Reimmichls Lebens- und Schaffenszeit mit vielen politischen und gesellschaftlichen Umwälzungen brauche es auch heute "Geschichten gelingenden Lebens, Narrative der Zuversicht und nicht nur die endlosen Aufzählungen des Versagens, der Skandale und anderer Negative". Glettler plädierte für einen Stil des Erzählens, "der Häme und Verachtung ausschließt, die Verwundungen des Lebens kennt und sich mit moralischen Bewertungen zurückhält".

 

Auch heute "Seelennahrung" bieten 

In einer zunehmend säkularisierten Gesellschaft seien Fragen zu hören wie: Wozu Kirche? Bischof Glettler äußerte sich "vorsichtig, aber zuversichtlich", dass es der Kirche auch heute gelingt, inmitten der Wohlstandsgesellschaft einen vitalen Ort der Begegnung mit Gott zu schaffen und zu Versöhnung, Zusammenhalt, Eigenverantwortung und Lebensfreude beizutragen. "Vielleicht müssten wir mehr erzählen von den vielen Frauen und Männern, die Wunden verbinden, die Trost spenden, den Fremden Heimat geben, Kranke versorgen und den Glauben wach halten", fügte er hinzu. "Vor allem sollten wir von den Mutigen erzählen - von Menschen, die unerschrocken für Gerechtigkeit und Freiheit ihr Leben eingesetzt haben."

Kirche biete trotz aller innerkirchlichen Spannungen und offenen Strukturfragen "Seelennahrung" für die Menschen, wies Glettler hin. Sie antworte auf Fragen nach dem Woher und dem Wohin des Lebens, indem sie Gottes Wort verkündet, halte "die uralten Geschichten von Berufung und Befreiung" in Erinnerung. Die Kirche dürfe die "Frohe Botschaft" nicht für sich behalten, müsse von der "Entlastung und Befreiung des Menschen durch Jesus, dem Bruder und Herrn aller Menschen", sprechen, betonte Glettler. Dieses Evangelium von Gottes Barmherzigkeit sei der "Herzschlag einer christlichen Spiritualität, die für den Aufbau einer humanen Gesellschaft heute dringender denn je vonnöten ist" - auch wenn die Volkskirche längst ihre Selbstverständlichkeit verloren habe.

 

Texter von "Tirol isch lei oans" 

"Reimmichl" Sebastian Rieger stammt aus dem Osttiroler Defereggental, lebte ab 1914 als Kaplan in Heiligkreuz, einem Stadtteil von Hall in Tirol, bis zu seinem Tod als 86-Jähriger. Seit 1920 erscheint bei Tyrolia Reimmichls Volkskalender jeweils in einer Nord-, Ost- und einer Südtiroler Ausgabe (bei Athesia). Reimmichls Werk umfasst ca. 70 Titel, die auf unterhaltsame Weise sittlich-religiöse Bildung wie auch Identifikation mit der Tiroler Heimat und Kultur vermittelten. Bis heute bestens bekannt ist sein Text zum bekannten Tirolerlied "Tirol isch lei oans". (Info: www.reimmichlkalender.at)

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Der 100. Reimmichl-Kalender ist da: v.l. Tyrolia Verlagsleiter Gottfried Kompatscher, Bischof Hermann Glettler, "Kalenderfrau" Birgitt Drewes und Bürgermeisterin Eva Maria Posch. Bild: Diözese Innsbruck/Berger