Kinderbetreuung: „Ausbau noch nicht am Ziel"

Die Regionalmedien Tirol haben Susanne Marini, die Obfrau des Dachverbandes Selbstorganisierte Kinderbetreuung Tirol, zum Interview gebeten.

Es gibt unter dem Dachverband Selbstorganisierte Kinderbetreuung Tirol aktuell 97 Träger, die 150 Kinderbetreuungseinrichtungen führen. In diesen Einrichtungen werden in erster Linie Kleinkinder bis zu ihrem dritten Lebensjahr betreut.

 

Bezirksblätter Innsbruck: Sie sind der Dachverband von rund 100 Vereinen im Bereich der Kinderbetreuung. Was zeichnet Ihre Betreuungseinrichtungen aus?
Susanne Marini: „Unsere Kinderbildungs- und -betreuungseinrichtungen sind großteils von Eltern beziehungsweise Pädagogen gegründet und organisiert. Das bedeutet, dass jene Menschen die Verantwortung für die Kinderbildung und -betreuung übernehmen, die Fachleute sind. Das wirkt sich in besonderer Weise positiv aus auf das Beziehungsdreieck zwischen Eltern, Pädagogen und Kindern aus." 

 

Gibt es spezielle pädagogische Maßnahmen auf die, die von Ihnen betreuten Einrichtungen setzen?
„Unsere Kinderbildungs- und -betreuungseinrichtungen waren in Tirol Vorreiter was die Pädagogik anlangt. Sie sind jene, die seit jeher besonders innovativ und kindgerecht ihre Organisation gestaltet haben. Dabei stand das Kind mit seinen individuellen Bedürfnissen im Mittelpunkt. Es wird als selbstkompetent lernende Person wahrgenommen. Weiters gibt es klare pädagogische Grenzen für das Kind, innerhalb derer es sich entdecken und entfalten kann. Leistungsanspruch oder Anpassung an vorgefertigte Muster wird zugunsten einer beobachtenden Begleitung auf dem Weg zu der Persönlichkeit des Kindes und seinen ganz besonderen Ressourcen zurückgestellt." 

 

Ist eine ganztägige Kinderbetreuung in Ihren Einrichtungen möglich?
„Ja natürlich. Auch eine ganzjährige Betreuung." 

 

Lässt sich Ihrer Meinung nach in Tirol Familie und Beruf aufgrund des vorherrschenden Kinderbetreuungsangebots vereinbaren?
„Wir sind noch nicht am Ziel, was den Ausbau der Kinderbetreuung anlangt. In vielen Regionen Tirols ist jedoch das Angebot bereits sehr gut und familienfreundlich. Nicht nur eine Altersgruppe von Kindern hat ganztägige Betreuung, wie zum Beispiel die Kindergartenkinder, sondern vielerorts auch die kleineren Geschwister und Schulkinder. So etwas ist entscheidend für Familien. Das qualitätsvolle Angebot von Kinderbildungs- und -betreuungseinrichtungen ist zu einem wichtigen Standortfaktor für Gemeinden geworden." 

 

Würden Sie die Betreuung von Kleinkindern in einer pädagogischen Einrichtung empfehlen?
„Empfehlen kann und soll man so eine Entscheidung nicht pauschal. Dies kann nur individuell für jede Familie geschehen. Manche persönliche Lebenssituationen von Familien sehen eine Betreuung von Kleinkindern als positiv und unterstützend, andere nicht. Ein ausschlaggebender Faktor für diesen Entschluss ist das Vorhandensein von Betreuungsmöglichkeiten in der Nachbarschaft oder der Familie, zum Beispiel durch Großeltern. Weiters hängt die Entscheidung, ob man sein Kleinkind in eine Betreuungseinrichtung gibt, von der Einkommenssituation der Familie, dem Wunsch nach Erwerbsarbeit von Vater und Mutter oder sonstigen Verpflichtungen von Familienmitgliedern, wie der Pflege von Angehörigen ab. Außerdem kann bei dieser Entscheidung die Geschwistersituation eine wesentliche Rolle spielen, also die Frage, ob Zuhause Spielpartner vorhanden sind oder nicht. Auch die Frage des Anschlusses im Dorf ist für viele Familien in ihrer Entscheidung ausschlaggebend. Schließlich kann man in solchen Einrichtungen recht schnell andere Familien kennenlernen." 

 

Was ist Ihrer Meinung nach der Grund, dass es mit knapp 65 Prozent deutlich mehr private, als öffentliche Kinderkrippen gibt? Gibt es Initiativen von der Politik dies zu ändern beziehungsweise hat die Politik Ihrer Meinung nach ein Interesse daran diesbezüglich etwas zu verändern?
„Es gibt mehr private Kinderkrippen, weil die öffentliche Hand, sprich die Gemeinden, länger gewartet haben mit der Gründung von Betreuungseinrichtungen für unter Dreijährige, während private Initiativen den steigenden Bedarf durch Gründungen von Kinderkrippen abgedeckt haben. Das Land Tirol hat hier eine sehr offene und positive Strategie verfolgt: Das heißt die Genehmigung und Förderung von allen Kinderkrippen, die dem Gesetz in Pädagogik und Betriebsführung entsprechen – egal ob sie privat sind oder von der Gemeinde geführt werden. Aus diesem Grund ist es seit Beginn der 90er Jahre bis heute möglich, eine Einrichtung dort zu gründen, wo der Bedarf besteht. Die Politik hat meiner Meinung nach wenig Interesse daran, den Anteil der privaten Träger zu verkleinern, weil private Anbieter die Leistungen in hoher Qualität und sicherlich nicht mit Mehrkosten zur Verfügung stellen. Außerdem sind private Anbieter inhaltlich absolute Profis, in Sachen Kinderbildung und -betreuung, was immer mehr zum Erfolgsfaktor wird." 

 

Wenn Sie drei Weihnachtswünsche an die Politik, bezüglich der Kinderbetreuung, frei hätten. Welche wären das?
„Erstens: Die Öffnung während der Schulferien müsste vom Land Tirol endlich in angemessener Form gefördert werden. Im Moment lässt hier die Förderung komplett aus. Zweitens: Die Förderung ist derzeit umso schlechter, umso mehr Gruppen eine Einrichtung hat. Das ist in dieser Form nicht mehr tragbar. Es muss ab der zweiten Gruppe eine bessere Förderung eingerichtet werden. Drittens: Die jetzige Qualität, die sich mit der Beschäftigung eines dritten Betreuers in einer Gruppe entfaltet, ist ein Segen für die Tiroler Kinderbildungslandschaft. Diese Möglichkeit soll zumindest beibehalten, wenn nicht ausgebaut werden." 

 

Das Interview führte David Zennebe.

Lesen Sie mehr dazu auf www.meinbezirk.at