Glettler: Müssen aus Empörungsbereitschaft herauskommen

Innsbrucker Bischof Glettler in "Wiener Zeitung" über Corona-Ostern, Vatikan und Homosexuelle und die österreichische Asylpolitik

Nach dem ersten "Corona-Jahr" liegt eine "Gereiztheit in der Luft". Der Innsbrucker Diözesanbischof Hermann Glettler ortetet im Interview mit der "Wiener Zeitung" (Samstag) auch eine "Empörungsbereitschaft" innerhalb der Gesellschaft: Als Folge der grassierenden Corona-Pandemie würden viele in eine Systemwut hineinrutschen und in hohem Maße aggressiv reagieren. "Da müssen wir wieder herauskommen", so der Appell des Bischofs, der sich angesichts der vielen Herausforderungen "einen österlichen Geist, viel Mut und Zuversicht" wünsche.

 

Auch wenn das Osterfest heuer wieder unter Coronabedingungen gefeiert werden müsste - "natürlich mit Sorgfalt und der Einhaltung der ganz strengen Vorgaben" -, zeigte sich Glettler erleichtert wieder "gemeinsam" feiern zu dürfen. Zwar gelte es künftig die Folgeschäden des vergangenen "Corona-Jahrs" aufzuarbeiten, die Kirche habe durch die Krise aber wieder "die Notwendigkeit solidarischer Zusammengehörigkeit entdeckt".

 

Positiv strich der Bischof auch das Umdenken in puncto Dankbarkeit, Achtsamkeit sowie der Bewertung, was gesellschaftsrelevant ist heraus. "Hoffentlich eine nachhaltige Neubewertung der leicht zu übersehenden Arbeit", so Glettler. Als schmerzhaft bezeichnete es der Innsbrucker Diözesanbischof, dass vor allem die Kinder- und Jugendarbeit der Kirche coronabedingt pausieren musste. Es habe zwar kreative neue Wege gegeben, um mit jungen Leuten zu kommunizieren; trotzdem heiße es als Kirche nun "neue Wege zu finden, wenn uns junge Leute ein wirkliches Anliegen sind".

 

Unnötige Kränkung vieler Menschen
Zum Nein des Vatikans zur Segnung homosexueller Paare meinte Glettler, dass man "das Anliegen, eine kirchliche Eheschließung nicht mit einer Segensfeier zu verwechseln, viel stressfreier" kommunizieren hätte können. "Das war eine unnötige Kränkung vieler Menschen", so Glettler, der in der österreichischen Bischofskonferenz u.a. für das Thema Familie zuständig ist. 

 

Die "höchstoffizielle Klarstellung" habe zudem die Folge, dass der persönliche Gestaltungsraum in der Seelsorge "ganz eng" werde, mahnte Glettler. Er bezeichnete es zudem als "traurig", dass Menschen gekränkt wurden, "die in ihre gleichgeschlechtliche Beziehung viel an Verlässlichkeit und Fürsorge hineinlegen". Und weiter: "Da ist meiner Meinung nach Segenswürdiges dabei. Das gänzlich abzusprechen, fällt mir sehr schwer."

 

Der Familienbischof stellte auch klar, dass sein "Herz für das Wohl der Familien in ihrer Buntheit, da sind auch alle Patchwork-Varianten und Alleinerziehenden mitzudenken" schlage. Zudem hätten Familien durch die Corona-Krise viel geleistet: "Sie sind Umschlagplätze für alles, was Kinder und Erwachsene erfreut und belastet." Künftig wolle man als Kirche daher noch stärker in die Ehevorbereitung und die Begleitung von Eheleuten investieren, kündigte der Bischof an.

 

Als Folge des vatikanischen Schreibens der Glaubenskongregation müsse nun wieder Vertrauen aufgebaut werden, "da ist vieles zerbrochen und beschädigt worden", so Glettlers Einschätzung. Jedoch werde aber auch die wertvolle Seelsorge, die soziale Hilfestellung und Lebensbegleitung der Pfarren und kirchlichen Einrichtungen in der öffentlichen Meinung nur selten wahrgenommen, wies der Bischof hin.

 

Papst will niemanden ausgrenzen
"Ich weiß, dass es die Intention von Papst Franziskus ist, niemanden auszugrenzen. Dafür gibt es unzählige Beispiele", wies der Innsbrucker Bischof hin. Als Beispiel nannte er etwa die Irak-Reise des Papstes Anfang März, die er als "ein welthistorisches Ereignis, eine echte Friedensmission, ein berührendes Plädoyer für uneingeschränkte Geschwisterlichkeit" bezeichnete. "Vielleicht gelingt es uns, die verständliche Aufregung wieder herauszunehmen und Themen neu zu bewerten." 

 

Angesprochen auf eine zunehmende Enttäuschung vieler von Papst Franziskus, meinte Glettler, dass es diesen nicht um eine oberflächliche Modernisierung der Kirche gehe, sondern um eine "Kirche, die die Menschen begleitet, sich sogar 'verbeulen' lässt, wie er sagt". Der Papst liefere damit nicht sofort Antworten, aber bringe Prozesse in Gang. Zudem sei die katholische Kirche eine riesige internationale Gemeinschaft, "da passieren Klärungs-und Reifungsprozesse halt sehr langsam", so Glettler, der hinzufügte: "Ich glaube, dieser Papst ist ein Geschenk für die ganze Welt, nicht nur für die katholische Kirche."

 

Abschreckungspolitik statt christlich-sozialer Politik
Glettler, der im Dezember Flüchtlingslager auf der griechischen Insel Lesbos besuchte, nannte die Lage dort ein "menschenunwürdiges Spiel mit dem Schicksal von Geflüchteten". Aktuell beobachte man dort eher eine gezielte Abschreckungspolitik, weniger eine christlich-soziale Politik; letzteres bedeute zudem "über nationale Interessen hinauszuschauen, Hilfsbereitschaft von Menschen zu stärken und nicht abzuwürgen". 

 

Zwar stimme es, dass Österreich bei der Flüchtlingsaufnahme im europäischen Vergleich nicht so schlecht dastehe, "aber die Kälte, mit der eine humanitäre Soforthilfe, also eine Evakuierung der griechischen Flüchtlingslager, verweigert wird, ist schon sehr irritierend".

 

Eine Meldung von www.kathpress.at