Glettler: Christen sollen "Herz- und Handwerker des Friedens" sein

Die Corona-Pandemie hat aufgezeigt, dass das Leben fragil und "nichts selbstverständlich" ist - "schon gar nicht Friede und Gerechtigkeit". Darauf verwies Bischof Hermann Glettler bei den Theologischen Sommertagen an der Theologischen Fakultät Innsbruck.

Innsbruck, 8.9.2020 (KAP)  Es braucht nach den Worten des Innsbrucker Bischofs Hermann Glettler Christen als "Herz- und Handwerker des Friedens", die sich gleichermaßen um Frieden und Wohlbefinden im Kleinen wie im institutionellen Großen und Ganzen bemühen. Vorbildhaft seien diesbezüglich die Gedanken des im Juli verstorbenen Moraltheologen Eberhard Schockenhoff, so Glettler. Der Bischof äußerte sich am Montagabend im Rahmen einer Gedenkveranstaltung für Schockenhoff an der Universität Innsbruck. Dort hätte Schockenhoff als Hauptredner bei den "Innsbrucker Theologischen Sommertagen" vortragen sollen, die heuer unter dem Titel "Friede - Gnade - Gerechtigkeit" stehen. 

An Schockenhoff lasse sich etwa anschließen bei der Bestimmung des Verhältnisses von Individualität und Gemeinschaft. Ihn bewege in diesem Zusammenhang die Frage: "Wie kann ich im Frieden sein, wenn die Welt im Krieg ist?", so Glettler. Eine rein individualistische Ausrichtung auf den inneren Frieden greife gewiss zu kurz und seien eine "fromme Reduktion", mahnte der Bischof. Vielmehr bestehe die Aufgabe darin, die äußere Friedlosigkeit der Welt zu einem "Motor für eine 'Kunst der Friedensstiftung' und Friedenssicherung" werden zu lassen. Frieden sei dabei ein umfassendes Thema, das Fragen der Gerechtigkeit ebenso umfasse wie Fragen etwa ökologischen Friedens und des guten Lebens für alle.

Den Vorrang räumte Glettler in dieser Frage indes dem jeweiligen Individuum ein: "Es braucht tatsächlich zuerst Vergebung und Versöhnung für den einzelnen Menschen, bevor er fähig wird, dem größeren Frieden einen Ort in der Welt zu sichern". Es ergebe daher entsprechend "Sinn, exemplarisch und im Modell schon im eigenen Herzen und im kleinen persönlichen Beziehungsgeflecht und Lebensumfeld jenen Frieden anzustreben und zu leben, den man sich im großen Format auch sehnlichst wünscht".

Innsbrucker Sommertage "am Puls der Zeit" 

Lob und Dank sprach Glettler schließlich auch der Katholisch-Theologischen Fakultät für die Theologischen Sommertage aus: Diese seien mit ihrem Thema heuer "am Puls der Zeit" und zugleich ein wichtiges Angebot "an der Schnittstelle von wissenschaftlicher Theologie und der Begegnung mit einer interessierten Öffentlichkeit". Durch diese Begegnung könne die "Relevanz theologischen Denkens für die grundlegenden Fragen unserer Zeit erfahrbar gemacht werden", betonte der Bischof.

Eberhard Schockenhoff hätte eigentlich den Hauptvortrag der Theologischen Sommertage am Montagabend halten und dabei über das Thema Friedensethik referieren sollen. Nach der Nachricht vom plötzlichen Tod Schockenhoffs entschied sich die Universität Innsbruck zu einer Gedenkveranstaltung mitsamt einem Podiumsgespräch, an dem neben Bischof Glettler auch die Innsbrucker Theologieprofessoren Wilhelm Guggenberger, Wolfgang Palaver sowie Roman Siebenrock teilnahmen.

Guggenberger würdigte Schockenhoff in einer inhaltlichen Einführung in sein Denken als Vorreiter einer Ethik, die sich an einem "gerechten Frieden" orientiere und Fragen sozialer sowie ökologischer Gerechtigkeit und gesellschaftlicher Teilhabe zusammendenkt mit der biblischen Überzeugung vom Geschenkcharakter des Friedens. Friedensarbeit bedeute im Anschluss an Schockenhoff somit "deutlich mehr als die Beendigung bewaffneter Konflikte" - sie bedeute vielmehr, die beiden Dimensionen "Geschenk und Ergebnis von Bemühen" zusammenzudenken. 

Schockenhoff steht für "weltoffene Katholizität" 

Wolfgang Palaver schloss an diese Gedanken an und führte aus, dass etwa die Ausrichtung an Gott als "höchstem Gut" ein wichtiger Aspekt nicht nur der christlichen Friedensethik sei, sondern "auch eine leider oft übersehene Grundlage der katholischen Soziallehre bildet". Schließlich würden Gewalt und Krieg immer dort drohen, wo "zeitliche Güter im Zentrum unseres Begehrens" stehen - nur ein Ineinander von innerem Frieden und dem Mitwirken am weltlichen Frieden werde der Botschaft Christi gerecht, so Palaver. "Die gute Ordnung des individuellen Begehrens und die internationale Friedensordnung sind aufs engste miteinander verschränkt und können letztlich nur gemeinsam angestrebt werden."

Roman Siebenrock skizzierte schließlich die persönlichen Quellen des friedensethischen Denkens Eberhard Schockenhoffs. So weise Schockenhoff als Kind der "Katholischen Tübinger Schule" - einer theologischen Denkschule des 19. Jahrhunderts, die sich bewusst gegen eine scholastische Verengung und für eine offene Begegnung mit den Philosophien ihrer Zeit aussprach - eben jenes Profil einer "weltoffenen Katholizität" auf, die auch das Zweite Vatikanische Konzil bestimmt habe und die es heute dringend brauche. Die an diesem Denken und schließlich an Schockenhoff orientierte Maxime laute daher: "Glauben und Theologie treiben nicht gegen die Anderen, weder gegen Häretiker und Ungläubige noch gegen Bischof und Papst" - vielmehr immer wieder neu anfangend und versöhnend, so Siebenrock. 

Im Anschluss an die "Innsbrucker Theologischen Sommertage" werden die Vorträge sowie die Gedenkveranstaltung für Eberhard Schockenhoff, die zuvor auch live gestreamt wurden, on demand verfügbar sein.

Der Wortlaut des Grußwortes von Bischof Glettler