Ein anderes Fasten ist heuer angesagt

Telefonseelsorge rät: Aufs Wesentliche besinnen statt auf etwas zu verzichten.

Lockdowns und Social Distancing sind monatelange Begleiter geworden. Da ändert sich der Blick auf die Fastenzeit, weiß die Leiterin der Telefonseelsorge der Diözese Innsbruck Astrid Höpperger: „Eigentlich fasten wir schon seit einem ganzen Jahr. Wir verzichten auf gesellige Treffen, ob in der Großfamilie oder in Vereinen. Wir verzichten auf Reisen, auf Restaurantbesuche, auf den Gang zur Arbeit und zur Schule.“ Für viele Menschen bedeute das Isolation, Stress, Ängste und Aggressionen. Kaum jemand hat da noch „Lust“ auf die Fastenzeit.

 

Für Höpperger ist deshalb „Verzicht“ in diesem Jahr nicht der richtige Ansatz: „Ich denke, es geht um Besinnung auf das Wesentliche. Wesentlich ist, in guten menschlichen Beziehungen zu leben. Über die Sehnsucht danach, berichten uns all die AnruferInnen, die sich einsam und ungeliebt fühlen.“ In ihren Gesprächen begegnen die MitarbeiterInnen der Telefonseelsorge den AnruferInnen mit Aufmerksamkeit und Respekt. „Probieren Sie das auch! Auch in Coronazeiten kann man miteinander telefonieren, auf der Straße für einen kurzen Plausch stehen bleiben und innerhalb der Familie schauen, dass Konflikte nicht eskalieren“, regt Höpperger an.

 

Mit sich ins Reine kommen 

Die Telefonseelsorge hat die Erfahrung gemacht, dass Aggressionspegel, Schuldzuweisungen und Diffamierungen in Folge der Belastungen durch die Pandemie gestiegen sind. „Hier gilt es auch zu Fasten, in dem Sinn, dass sich jeder und jede bemüht, es zu unterlassen, die eigene Frustration anderen um die Ohren zu knallen. Voraussetzung dafür, dies zu schaffen, ist, selber wieder ins Gleichgewicht zu kommen“, betont Höpperger. Selbstfürsorge sei hier angesagt. Das bedeute zum Beispiel, eigene Ängste zu benennen und zu sortieren. Das kann auch heißen, mit sich „ins Reine zu kommen“, ob durch Meditation oder Gebet oder durch Psychotherapie: „Wenn Kraft und Lebensfreude ausgehen, machen wir uns in der Telefonseelsorge gemeinsam mit den Anrufenden auf die Suche nach deren Kraftquellen.“

 

Wesentlich für ein gutes Leben sei neben der Beziehung zu sich selbst und zu anderen auch der Umgang mit der Lebenswelt um einen herum. Ein Überdenken des Lebensstils, Stichwort Konsum, Auto und Flugzeug, sei angesichts der Weltlage auf jeden Fall angebracht. Sich selbst und anderen Gutes zu tun, „die Schöpfung“ zu schonen, das wären angemessene Fastenvorsätze für die Leiterin der Telefonselsorge. „Ein bisschen weniger Alkohol, weniger Schokolade und Autonutzung schaden natürlich auch nicht“, schließt sie ab.

 

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Sich öffnen für das Wesentliche statt zu verzichten, dazu rät die Leiterin der Telefonseelsorge. Foto: Bruno Moriggl