Bischofsvikar Bürgler feierte Radiogottesdienst zu Pfingsten

Über die vielen Bilder für den Heiligen Geist und ihre Bedeutung für das Leben befasste sich Bischofsvikar Jakob Bürgler in seiner Predigt beim Pfingstgottesdienst, der live von Radio Tirol übertragen wurde. Hier finden Sie die Predigt im Wortlaut

Die Bibel kennt viele Bilder für den Heiligen Geist. Es sind leicht verständliche, sprechende Bilder. Das Feuer. Es schlägt Funken. Es entzündet. Es begeistert. Der Heilige Geist ist Energie, Kraft, Dynamik. Der Sturm. Er wirbelt auf. Er treibt an. Er bringt in Bewegung. Der Heilige Geist packt den Menschen. Er lässt ihn aufbrechen. Das Wasser. Es durchflutet alles. Schenkt Leben. Der Heilige Geist ist wie eine frische Quelle, die den inneren Durst stillt. Die Taube. Sie erinnert an die Taube des Noah. Ein Bild für den Frieden. Der Geist Gottes schenkt Frieden, in mir und in der Welt.

Und es gibt noch ein Bild. Das Bild des Atems. Am Tag seiner Auferstehung kommt Jesus zu den Jüngern, in den Kreis seiner verschreckten und verängstigten und traumatisierten Jünger. Er geht durch Türen, die fest verschlossen sind. Er durchbricht die Angst, die Abschottung, die innere Härte, und er schenkt Frieden. Er haucht die Seinen an. „Nachdem er das gesagt hatte, hauchte er sie an und sagte zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist!“ So berichtet es uns Johannes. Jesus haucht seine Freunde an. Er schenkt ihnen seinen Hauch, seinen Atem. Den Lebensatem. Man könnte auch sagen: Er be-atmet sie. Er weiß, dass ihnen die Luft ausgegangen ist, dass sie aufgrund der schrecklichen Ereignisse atemlos geworden sind, dass ihnen der Atem gestockt hat. Dass sie jede Lebenskraft und Energie verloren haben. Dass sie ein Auf-Atmen brauchen.

Es gibt eine sehr bewegende Plastik in der Pfarrkirche von Debant in Osttirol. Alois Fasching hat sie geschaffen. Sie zeigt jene Szene, von der heute im Evangelium erzählt wird. Jesus haucht seine Jünger an. Mit Nachdruck. Mit Kraft. Mit seiner ganzen Energie. Er be-amtet seine Freunde. Er schenkt eine Art „Wiederbelebung“. Damit endlich ein Auf-Atmen möglich wird.

 

 2

Das Bild des Atems spricht mich heuer ganz besonders an. In den vergangenen Wochen haben wir erlebt, wie wichtig eine frische, virenfreie Luft ist. Wie sehr uns der Mund- und Nasenschutz zwar hilft, aber doch auch am freien Atmen hindert. Heuer sehnen wir uns ganz besonders nach einem neuen und freien Atem. Nach Lebenskraft. Nach einem Auf-atmen. Nach einer neuen Perspektive. Nach einer Dynamik, die nach vorne schaut und aufrichtet. Nach einem Atem der Zuversicht und der Freude.

Pfingsten. Das Fest des neuen Atems. Das Fest der frischen Luft von oben. Das Fest der Wiederbelebung. Papst Franziskus hat einmal bei einer Morgenmesse in Santa Marta folgenden Gedanken formuliert. „Es gibt so viele Christen im Stillstand, die nicht weiter gehen; Christen, die im Sand der Alltagsdinge steckengeblieben sind – auch gute Leute, aber sie wachsen nicht, sie bleiben klein. Geparkte Christen. Sie haben sich eingeparkt. Christen im Käfig, die nicht fliegen können mit dem Traum, zu dem Gott uns ruft.“

Ich denke, dass dies eine der ganz großen Bitten heute ist. Dass das Vertrauen auf Gott wieder zündet. Dass der Glaube wieder lebendiger wird. Dass Menschen neu zu einer Freundschaft mit Jesus Christus finden. Es gibt so viele gute Leute. Leute, die unglaublich sozial sind und sich einsetzen, einander stärken und tragen, das Leben menschlich gestalten und nicht nur an sich selber denken. Das ist wunderbar, und sicher auch die Frucht einer Kultur, die christlich geformt ist.

Aber: Es gibt, wie es der Papst sagt, so viele Christen im Stillstand, bei denen der Glaube eigentlich keine Rolle mehr spielt, die feststecken in den Herausforderungen und Beschäftigungen und Nöten des Alltags. Alles, was an konkreten Glauben erinnert, scheint eingetrocknet. Festgefahren. In den Kinderschuhen steckengeblieben. Da wächst nichts mehr. Und wir wissen es genau: Was nicht wächst, das geht ein. Das stirbt. Das hat keine Bedeutung mehr.

 

 3

Wie schön wäre es, wenn das Feuer der Begeisterung wieder mehr in uns zünden würde. Ja, auch in uns selber! Auch in denen, die von sich sagen, dass sie dazugehören. Nur ein brennendes Herz kann den Funken der Begeisterung entzünden und weitergeben. Wie spüren die Menschen, dass mein Herz für die Sache Gottes brennt? Dass ich einen „Schatz“ entdeckt habe? Dass ich mich von Gott geliebt und getragen weiß?

Dass der Glaube mein alltägliches Leben prägt? Komm, Heiliger Geist, und berühre mit deiner Feuerkraft mein Inneres! Lass aufleben, was flau und flach geworden ist. Schenk neuen Schwung! Und dann ist da noch die Rede von den „anderen Sprachen“. Diejenigen, die vom Geist Gottes erfüllt sind, beginnen, in anderen Sprachen zu reden. Damit ist kein „Fremdsprachencocktail“ gemeint. Damit ist die Fähigkeit gemeint, so zu reden, dass es die Leute verstehen, dass sie sich in ihrer Lebenssituation angesprochen fühlen, dass ihnen die frohe Botschaft zu Herzen geht. Das ist eine ganz wichtige Aufgabe für uns als Kirche heute. Dass wir die kirchliche Sondersprache, das kirchliche „Jägerlatein“ verlassen und so reden, dass es Menschen verstehen. Dass wir von unserem Herzen her reden und mit Worten, die zu Herzen gehen. Dass wir einfach reden. Dass wir einladend, wertschätzend, achtsam, aufbauend reden. Dass wir helfen, dass sich Menschen angenommen wissen und ermutigt.

Und vor allem: Dass wir das, was wir sagen, auch tun. Es ist die Sprache der konkreten Tat. Dabei sind wir immer Lernende. Unser Papst sagt immer wieder, dass wir uns „missionieren“ lassen müssen, von den Armen. Die Armen sagen uns, was im Evangelium und in der Kirche wirklich zählt. Wir müssen auch die Sprache derer lernen, die keinen Zugang zu Gott haben, die Sprache der Atheisten und Agnostiker. Auch diese Sprache hilft uns, unseren Glauben besser zu verstehen. Zwei Fragen sind es, die mich in diesem Zusammenhang sehr beschäftigen: Hast du einen Freund bei den ausgegrenzten und armen Menschen? Einen Freund, dessen Namen du kennst? Hast du einen Freund bei den sogenannten „Ungläubigen“? Lässt du dich wirklich ein auf deren Leben und Fragen?

 

 4

Und es wird so sein, dass wir in den gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Tage die Stimme erheben, uns einlassen auf diese ganz unterschiedlichen Sprachen. Wir werden deutlich für einen Ausgleich zwischen Arm und Reich eintreten. Wir werden nicht müde, den unmenschlichen Umgang mit Flüchtenden und Migranten zu benennen. Wir werden auf die krank gemachte Schöpfung hinweisen, die unter dem, was die Menschen ihr antun, ächzt und stöhnt. Auch das ist Wirken des Heiligen Geistes. Wirken einer Kraft, die gegen alles wirkt, was Leben kaputt macht. Mich hat sehr angesprochen, was die jungen Leute hier in der Kapelle zum Heiligen Geist gesagt haben: Dass er spürbar ist, wenn wir ganz glücklich sind. Wenn wir unseren Glauben weitergeben. Wenn wir die Schöpfung achten. Wenn wir achtsam miteinander umgehen. Der Geist Gottes ist nicht greifbar. Aber er ist da. Unsichtbar, aber erlebbar. Der Geist Gottes durch-atmet alles. Lassen wir uns heute wiederbeleben, be-atmen, mit neuem und frischem Atem beschenken! 

Bischofsvikar Jakob Bürgler