Anstoß für ein Umdenken

Eine künstlerische Intervention in der Spitalskirche in Innsbruck thematisiert das corona-bedingte Besuchsverbot in Altenheimen und Krankenhäusern und weist auf die große Bedeutung von sozialen Kontakten vor allem für ältere und kranke Menschen hin.

Unverständlich ist nur der Name. „tobrevshcuseb“ ist der Titel einer Installation, die im gesamten Oktober in der Innsbrucker Spitalskirche zu sehen ist – Besuchsverbot von hinten gelesen. Augenscheinlich und unmittelbar verständlich dagegen ist die Botschaft des Werkes. Eine ältere Frau mit Schutzmaske, hineingesteckt in einen Haufen leerer Desinfektionsflaschen, durch zwei Zäune getrennt von ihren beiden Enkeln. Alle strecken durch den Zaun die Hände nacheinander aus, aber sie können die Barriere nicht überwinden. „tobrevshcuseb -Besuchsverbot von hinten gelesen“ ist eine Einladung zum Nachdenken über die Auswirkungen von Besuchsverboten, wie sie im Frühjahr in Altenheimen und Krankenhäusern verordnet wurden. Das Werk, das auf Initiative von Bischofsvikar Jakob Bürgler im Mittelgang der Kirche aufgestellt wurde, ist den gesamten Oktober hindurch zu den Öffnungszeiten der Kirche zu sehen.

 

Zum Nachdenken anregen 

Mit seiner Installation verdichtet der Arzt Wolfgang Halder, Internist und Geriater am Krankenhaus Hochzirl, seine Erfahrungen während der Coronakrise: „Durch die Abschottung alter Menschen haben sich viele Probleme ergeben. Denn lebenswert für alte Menschen ist der Sozialkontakt, und dabei vor allem der Kontakt zu Familienangehörigen.“ Halder sieht sein Werk nicht als Kritik an den gesetzten Maßnahmen, die „zu dieser Zeit und mit dem damaligen Wissensstand sicher gerechtfertigt waren“. Aber eine reine Reduktion des Blickes auf die Sterbezahlen sei zu wenig. „Das Ziel, Leben um jeden Preis zu retten, kann Leben auf ‚nicht gestorben sein‘ reduzieren“, meint Halder. Die Installation wolle zum Nachdenken anregen, dass auf Zahlen reduzierte Erfolge auch Schäden verdecken können. Es sei sein Herzenswunsch, so Halder, dass „ein Besuchsverbot, wie wir es im Frühjahr erlebt haben, nicht mehr notwendig ist und wir in Zukunft eine sichere Begegnung ohne Besuchsverbot gestalten können“.

 

Erfahrungsbereichte aus Krankenhaus und Altersheim 

Bei der Präsentation von Halders Werk am 30. September in der Spitalskirche erzählten u.a. die Ärzte Monika Lechleitner (Leiterin KH Hochzirl), Kathrin Sevecke (Leiterin Kinder- und Jugendpsychiatrie Hall) und Günter Weiss (Leiter der Universitätsklinik für Innere Medizin VI) von ihren Erfahrungen in der Zeit des Besuchsverbotes. Sie alle haben die Erfahrung gemacht, dass alte Menschen unter der Isolation gelitten haben und die Auswirkungen sowohl körperlich als auch psychisch deutlich zu spüren waren.

Auch ein betroffener Angehöriger, Johannes Köck aus Innsbruck, berichtete: „Die Erkrankungen meiner Eltern haben sich in der Zeit der Isolation leider rapide und massiv verschlechtert, beide sind auch deutlich ängstlicher geworden.“ Er wünsche sich und allen Menschen, „dass eine sich wiederholende Situation dieser Art - wenn medizinisch vertretbar und logistisch machbar - weniger radikal, weniger isolierend, weniger ausgesperrt und weniger eingesperrt gelöst werden kann.“

Die Leiterin der Klinikseelsorge Innsbruck, Hildegard Anegg, und der Leiter des Altenheims Zirl, Robert Kaufmann, berichteten ebenfalls von ihren Erfahrungen, die geprägt sind von der Herausforderung, den behördlichen Vorgaben zu entsprechen und zugleich den Menschen nicht aus dem Blick zu verlieren. Zur Sprache gekommen ist dabei mehrfach die Dankbarkeit den Menschen gegenüber, die in den Einrichtungen für die Gesundheit der Menschen verantwortlich waren und in der Pflege unermüdlich gearbeitet haben. Musikalisch begleitet wurde der Abend von Andreas Gilgenberg am Saxophon.

 

Tobrevshcuseb – Besuchsverbot von hinten gelesen

Installation von Dr. Wolfgang Halder in der Spitalskirche Innsbruck, Maria-Theresien-Straße 2, Innsbruck. 1.-31. Oktober, täglich von 8-20 Uhr.

Bischofsvikar Mag. Jakob Bürgler und Dr. Wolfang Halder präsentierten die künstlerische Intervention zum Besuchsverbot in der Innsbrucker Spitalskirche. Foto: Hölbling