Begleitung Sterbender

“Er lag im Sterben. Und schaute seine Familie an. Alle sind gekommen. Stumm schauten auch sie den Vater an. Im Zimmer machte sich Hilflosigkeit breit. Man wartete auf den Priester. Und die Krankensalbung. Die Zeit des Wartens war zur Unerträglichkeit angespannt. Als Andreas – mein Freund, der mir die Geschichte diese Woche erzählte - das Zimmer betrat, machte ihn das Schweigen betroffen. Unzählige Male hat er es erlebt. Und jedes Mal war ihm zum Heulen zumute. “Könnten wir gemeinsam beten? Den Rosenkranz vielleicht!” - sagte er leise in den vom Schweigen geradezu mit Unheil schwangeren Raum hinein. Und traute seinen Augen nicht. Wie auf Befehl zogen alle ihre Rosenkränze aus der Tasche. Und beteten laut! Auch der Vater in seinem Sterbebett betete mit. Das Beten entspannte die Situation. Das Sterben wurde menschlicher. In einer fast schon normalen Situation des Abschieds spendete Andreas die Krankensalbung. Ließ die Familienangehörigen ihren sterbenden Vater auch segnen.

“Warum habt ihr vorher selber nicht gebetet?” - fragte er nachher die Angehörigen. “Das tut ihr doch zu Hause. Man spürte es an der Art, wie ihr gebetet habt.” Die Antwort machte ihn sprachlos. “Wir haben uns nicht getraut! Wussten auch nicht, ob man das in der Klinik darf.”

Am Sterbebett kann auch der Glaube sterben. Wenn wir alle - die wir ja noch gesund und munter sind - uns nicht mehr trauen, gerade dort unseren Glauben zu zeigen. Und die Sterbenden bei ihrem Übertritt in die Ewigkeit betend zu begleiten.”

 

Aus:

“Tiroler Sonntag. Kirchenzeitung der Diözese Innsbruck/Schlusspunkt”